Zahltag!

Jedes Jahr wird am Equal Pay Day der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen gedacht. Aber verdienen Männer wirklich so viel mehr? Woran liegen die Unterschiede? Um wirklich etwas zu ändern, müsste allerdings auch das Familienleben radikal umgestellt werden.

 

Deutschland – total ungerecht?
22% weniger! 80 Tage pro Jahr mehr arbeiten, um auf den gleichen Lohn zu kommen wie Männer! So ähnlich titeln die Schlagzeilen zum Equal Pay Day. Und tatsächlich: Ein einfacher Vergleich der Lohnsumme der Frauen und der Männer bringt diese Zahl zustande. Seit 2006 fast unverändert. Damit liegt Deutschland an der Spitze der Ungerechtigkeiten. Denn europaweit beträgt der Gehaltsunterschied durchschnittlich „nur“ gut 16%.

Aber einfach nur Lohnsummen nebeneinander zu stellen hat etwas vom klassischen Äpfel-Birnen-Vergleich. Schließlich gibt es bereits seit 1972 keinen einzigen Tarifvertrag mehr, der unterschiedliche Bezahlung aus Gründen der Geschlechtszugehörigkeit ermöglicht. Bereits das zeigt, dass eine Verschwörung der Machos gegen die Frauen hier doch eher unwahrscheinlich ist.

Warum Frauen weniger verdienen
Das Statistische Bundesamt hat bereits bezogen auf Arbeitsmarktzahlen von 2009 und jetzt erneut einen „bereinigten Gender-Pay-Gap“ von höchstens sieben Prozent errechnet. Die wesentlichen Unterschiede in der Bezahlung liegen demnach an folgenden Faktoren:
-    Frauen sind immer noch schlechter ausgebildet, obwohl sich das bei der jüngeren Generation deutlich ändert.
-    Sie sind insgesamt jünger, haben also ein geringeres Dienstalter.
-    Sie leisten weniger Überstunden, seltener Schichtdienst, bekommen weniger Lärm-, Schmutz- und Gefahrenzulagen.
-    Sie arbeiten in kleineren Firmen, die insgesamt ein niedrigeres Lohnniveau haben.
-    Sie sind weniger mobil, leisten weniger Dienstreisen, pendeln seltener.
-    Sie arbeiten zu ca. 60% in Teilzeit.
-    Sie haben seltener Führungspositionen inne.
-    Sie wählen Berufe mit einem niedrigeren Gehaltsniveau.
-    Sie haben aufgrund von Babypausen stärker unterbrochene Erwerbsbiografien.

Kinder erschweren die Erwerbsarbeit
Kinder sind das größte Hindernis für Erwerbstätigkeit. Das macht auch eine Studie der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft von 2010 deutlich: Bei Frauen zwischen 25 und 35 Jahren, die keine Kinder haben oder nur kurz Elternzeit in Anspruch nahmen, wiesen gegenüber Männern nur einen statistisch nicht relevanten Gehaltsunterschied von zwei Prozent auf.

Rund zwei Drittel des Gender Pay Gap sind also laut Statistischem Bundesamt auf strukturell unterschiedliche arbeitsplatzrelevante Merkmale von Männern und Frauen zurückzuführen. Die wichtigsten Unterschiede sind dabei die zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmern ungleiche Besetzung von Positionen. Frauen sind zudem eher teilzeitbeschäftigt und tendenziell schlechter ausgebildet. Wesentlich ist aber vor allem die zwischen den Geschlechtern unterschiedlich ausfallende Berufs- beziehungsweise Branchenwahl.

Die Hierarchie der Branchen
Das beliebteste Studienfach ist bei Männern wie bei Frauen nach einer Auswertung von StudyCheck Betriebswirtschaft. Aber dann teilt es sich klassisch auf: Männer bevorzugen technische Berufe wie Maschinenbau und Ingenieurswesen, Frauen studieren vor allem geisteswissenschaftliche Fächer wie Germanistik und Anglistik, ebenso Pädagogik, Psychologie und Medizin.

Hier wird eine strukturelle Hierarchie in unserer Gesellschaft deutlich: Alles, was mit Technik verbunden ist, wird höher eingeschätzt als das, was mit Beziehung und Betreuung zu tun hat. Für ein Patientengespräch kann der Arzt nur einen Bruchteil dessen abrechnen, was er für eine Computertomographie ansetzen kann. Für Computer-Zubehör 100 Euro anlegen – kein Problem. Aber für eine Theaterkarte? Ein neues Mittelklasseauto kostet einen Durchschnitts-Jahresverdienst, wer jedoch würde eine ähnliche Summe für Kinderbetreuung ausgeben?

Frauenberufe – Beziehungsberufe
Klassische Frauenberufe sind aber genau in diesen Gesellschaftsbereichen angesiedelt. Zwar reden Politikerinnen und Konzernchefs gerne davon, dass Kinder unsere Zukunft seien und dass niemand zurückgelassen werden darf. Wenn es aber um die Ausstattung der Kitas und Schulen geht und darum, dass das Gehalt der Erzieherin eine Familie ernähren können muss, sind Sparsamkeit und Budgettreue wichtiger. Erst seit etwa zehn Jahren wird diskutiert, ob für den Erzieherberuf ein Studium notwendig sein sollte. Vorher galt eher die Denkrichtung, dass ein bisschen mit den Kleinen spielen und auf sie aufzupassen ja nun wirklich nicht richtige Arbeit sei und eigentlich keine Ausbildung brauche.

Das hat damit zu tun, dass der Bereich des Hauses und damit der Kinder der klassische Bereich der Frauen ist. Männer gehen nach außen, in die Welt, erwirtschaften dort den Unterhalt für die Familie, kommen dann nach Hause, in den Bereich der Frauen, wo sie sich erholen können von der Erwerbstätigkeit. Beziehungsarbeit ist hingegen Frauensache. Das wird auch in den von ihnen hauptsächlich gewählten Berufen deutlich. Eine Aufwertung dieses lebensnotwendigen gesellschaftlichen Bereichs steht seit Langem an – und zwar nicht nur mit der nächsten hübschen Rede, sondern mit Umschichtungen im Haushalt. Das gilt auch für Firmen, die ja gerne vorgeben, dass sie die Wichtigkeit der Humanressourcen, der Teamfähigkeit und des Betriebsklimas erkannt hätten.

Arbeits- und Familienzeit
Was bedeutet das aber für die Familien? Nach dem Ravensburger Familiensurvey sind 80% der Väter Vollzeit erwerbstätig, jedoch nur 60% der Mütter üben überhaupt einen Beruf aus, zu 45% in Teilzeit. Sie neigen daher einem „adaptiven Familienmodell“ zu, das die Lebensbereiche Familie und Beruf aufeinander zu beziehen versucht. Und: Sie sind mit ihrer Situation zufrieden. Teilzeitarbeit reicht ihnen offenbar, um all ihre Optionen zu befriedigen: Zeit mit den Kindern und für sich zu haben, ein wenig Arbeit, um raus zu kommen aus der Haushaltsenge und um ständige soziale Kontakte aufbauen zu können.

Damit bleiben sie aber „Nebenerwerblerinnen“. Das Haupteinkommen erwirtschaftet immer noch der Mann. Wenn sich daran etwas ändern soll, müssen Frauen also in verstärktem Maße Vollzeit arbeiten. Männer müssten entsprechend mehr Teilzeitstellen annehmen, um sich der Kinderbetreuung besser widmen zu können. Damit wären Haus und Familie auch nicht mehr der Bereich der Frau, sondern der Mann hätte die gleichen Rechte, die Grundzüge und die Alltagsgestaltung des Familienlebens und der Erziehung zu bestimmen.

Es reicht also nicht, nur bei den Frauen an der Lohnschraube ein Stück zu drehen. Arbeitszeit und Familienzeit hängen eng zusammen. Mehr Erwerbsarbeit für Frauen geht nur Hand in Hand mit mehr Familienzeit für Männer.