Zur Reform des Scheinvaterregresses
Vorbemerkung:
Mit dem Gesetzentwurf sollen die Rechtsfolgen einer Scheinvaterschaft geklärt werden. Unberücksichtigt bleibt hierbei das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung.
Während sich Mutter, Vater und Scheinvater um die rechtlichen Folgen dieser familiären Konstellation kümmern wird das Kind, oftmals erst viele Jahre nach seiner Geburt, mit der Tatsache konfrontiert einen anderen Vater zu haben. Dies stellt für das Kind eine erhebliche Belastung und oftmals auch eine Erschütterung der eigenen Identität dar.
Bevor wir daher auf den Gesetzesentwurf selbst eingehen geben wir daher Anregungen, wie dem Kind bestmöglich die Kenntnis seiner eigenen Herkunft ermöglicht werden kann und damit auch das Recht des Kindes im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention gestärkt werden kann.
Anders als noch vor 30 oder 40 Jahren kann die biologische Vaterschaft heute sicher festgestellt werden. Die Gendiagnostik bietet eine nahezu 100%ige Sicherheit bei der Frage der Vaterschaftsfeststellung. Die Kosten für einen Vaterschaftstest liegen bei rund 100 EUR und würden bei häufigerer Anwendung vermutlich weiter sinken. Es wäre daher zu überlegen, ob die biologisch Vaterschaft generell und verpflichtend nach der Geburt des Kindes festgestellt werden sollte. Dies hätte aus unserer Sicht mehrere Vorteile:
- das Kind erlangt früh Kenntnis von seiner Abstammung – spätere Verunsicherungen des Kindes können so vermieden werden
- der biologische Vater kann und soll frühzeitig in seine elterlichen Pflichten zur Pflege und Erziehung seines Kindes eingebunden werden
- Fragen des Scheinvaterregresses könnten vermieden werden
- in Fällen, in denen „Vater unbekannt“ angegeben wird würde für den Mann der vermutet, Vater des Kindes zu sein die Möglichkeit bestehen, seine Vaterschaft auf dem Wege nachzuweisen (ggf. mit Ausnahme von anonymen Geburten zum Schutz des Kindes)
- langwierige Vaterschaftsfeststellungsklagen könnten vermieden werden
Wir halten das Konstrukt der rein rechtlichen Vaterschaft aufgrund der Ehe (§1592 (1) BGB) oder Anerkennung (§1592 (2) BGB) mittlerweile für überholt und haben auch Zweifel daran, ob die in Art 6 II GG normierte Pflicht der Eltern heute noch auf die rein rechtliche Vaterschaft anwendbar ist. Auch die UN-Kinderrechtskonvention stellt auf die (biologisch) Elternschaft und auf die Kenntnis und Wahrung der Identität des Kindes ab.
Wir plädieren daher dafür, bei zukünftigen Gesetzesvorhaben stärker auf die biologische Vaterschaft abzustellen, da diese dem Regelungsgedanken des Art 6 GG entspricht.
Wir wollen damit nicht in Abrede stellen, dass auch soziale Vaterschaft eine Bereicherung für das Kind sein kann. Die biologische und genetische Vaterschaft ist jedoch die, die das Kind bereits ab Zeugung geprägt hat und welche auch auf seinen weiteren Lebensweg Einfluss nehmen wird. Dies zeigen Erkenntnisse über adoptierte Kinder oder die Forschungsergebnisse zur Epigenetik immer wieder. Selbst ein abwesender, weil möglicherweise heute noch unbekannter Vater prägt das Kind. Die Unkenntnis über die eigene Identität jedoch belastet Kinder stark. Dies sollte zukünftig wo immer möglich vermieden werden.
Daher sollte zur Wahrung der Rechte des Kindes auf seine eigene Identität immer dann, wenn die biologische Vaterschaft nicht festgestellt ist, also auch in Fällen des Scheinvaterregresses, von Amts wegen die Feststellung der Vaterschaft in die Wege geleitet werden. Dies gebietet aus unserer Sicht auch das aus dem Wächteramt des Staates erwachsenden Verpflichtung des Art. 6 II GG über die Betätigung der elterlichen Pflege und Erziehung zu wachen. Dies korrespondiert auch mit Art. 18 der UN-Kinderrechtskonvention, dass die Vertragsstaaten sich nach besten Kräften bemühen, dass beide Elternteile gemeinsam für die Erziehung und Entwicklung des Kindes verantwortlich sind. Damit dem Recht des Kindes und der Pflicht des Vaters genüge getan werden kann, muss dieser bekannt sein. Im Zweifelsfall trägt daher aus unserer Sicht der Staat die Verpflichtung, durch einen Beistand für das Kind die Ermittlung des Vaters von Amts wegen in die Wege zu leiten.
Zum Gesetzesentwurf:
Wir begrüßen, dass der Gesetzgeber die bestehende Regelungslücke schließt. Bei der Frage des Scheinvaterregresses wird es nie „die“ richtige und faire Regelung geben. Insofern stellen die angedachte Regelung, den Unterhalt für maximal zwei Jahre rückwirkend zurückfordern zu können, einen aus unserer Sicht angemessenen Kompromiss dar.
Es darf hierbei auch nicht vergessen werden, dass der biologische Vater möglicherweise auch eine Familie zu versorgen hat und man dort nicht auf die Versorgung weiterer Kinder eingestellt war – neben der emotionalen Belastung, nun in dieser Familie mit der ungeahnten Verantwortung für ein weiteres Kind konfrontiert worden zu sein kann dies auch zu erheblichen finanziellen Nöten führen. Dies könnte dann die Familie des biologischen Vaters und die möglicherweise dort lebenden Kinder unerwartet massiv finanziell belasten. Es ist daher aus unserer Sicht gut und richtig, dass der Regelungsgedanke des bisherigen §1613 (3) in den neu gefassten §1613 (4) übernommen wurde.
Gegen die geplante Neufassung des §1607 (4) haben wir erhebliche Einwände. Durch den Verweis auf die mögliche Unzumutbarkeit der Nennung des biologischen Vaters wird aus unserer Sicht dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Im Zweifelsfall wird es der Mutter bis zur gerichtlichen Klärung nur all zu oft unzumutbar sein, den biologischen Vater zu benennen. Selbst nach gerichtlicher Klärung und Verpflichtung zur Auskunftserteilung wird man die Mutter kaum dazu zwingen können, den Namen des biologischen Vaters auch tatsächlich preis zu geben. Im Zweifelsfall gibt sie an, keine Kenntnis über den mutmaßlichen Vater zu haben – jeglicher Anspruch des Scheinvaters würde ins Leere laufen. Sie alleine hat es in der Hand, für Aufklärung zu sorgen.
Es ist aus unserer Sicht auch dem Scheinvater nicht zumutbar, in jahrelangen Prozessen im Ungewissen über seinen Rückforderungsanspruch zu bleiben. Oftmals bedeutet die Kenntnis von der Scheinvaterschaft das Zerbrechen der Familie – es muss dem Scheinvater daher ermöglicht werden, sich innerhalb angemessener Zeit von der Mutter lösen zu können und seinen Rückforderungsanspruch durchzusetzen. Dies ist durch den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht sichergestellt, das Regelungsziel aus unserer Sicht daher verfehlt.
Wir schlagen daher vor das für den Fall, dass die Mutter den biologischen Vater nicht benennt, sie selbst für die dem Scheinvater zustehenden Unterhaltsansprüche zu haften hat. Es liegt dann im Ermessen der Mutter, ob sie gegenüber dem Scheinvater den biologischen Vater benennt und die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche gegen diesen ermöglicht oder ob ihr der Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte in diesem Fall wichtiger ist.
Aus unserer Sicht kann nur der zuvor beschriebene Weg dazu führen, dass der Scheinvater seinen Rückforderungsanspruch auch tatsächlich umsetzen kann.
Zur Rückbenennung des Kindes §1618 BGB
Es wird von uns grundsätzlich begrüßt, dass nun eine Möglichkeit zur Rückbenennung der Kinder ermöglicht werden soll. Wir haben aber gewisse Zweifel, ob die Jahresfrist nach Scheitern der Ehe ausreichend ist. Es kann gerade nach längerem Zusammenleben nach einer Trennung durchaus vorkommen, dass das Kind noch zum Stiefvater Kontakt hält und auch anfangs noch auf ein fortbestehen der Beziehung hofft. Dies lässt sich bei Kindern und Jugendlichen in Trennungsphasen immer wieder feststellen. Sollte dann aber die Endgültigkeit der Trennung zu Tage treten und die Jahresfrist bereits abgelaufen sein bestünde für das Kind keine Möglichkeit mehr, den Namen abzulegen. Da keine Gründe erkenntlich sind, weshalb hier lediglich die Jahresfrist genannt wurde regen wir an, diesen Zeitraum auf beispielsweise drei Jahre zu verlängern. In dieser Zeit sollte Klarheit über die familiären Verhältnisse bestehen und eine Entscheidung über die Rückbenennung auch vom Jugendlichen getroffen werden können.
Inwiefern die Einwilligung eines 5-jährigen Kindes in die Rückbenennung praktisch vollzogen werden kann möchten wir kritisch hinterfragen. Erfahrungsgemäß dürften Kinder in solch jungem Alter noch nicht in der Lage und damit überfordert sein, derartige Fragestellungen zu erfassen und zu beantworten. Hier wäre zu überlegen, ob nicht analog der sorgerechtlichen Regelungen des §1671 BGB das 14. Lebensjahr des Kindes angesetzt werden sollte.
Frankfurt, 20.07.2016