Stellungnahme zum Referentenentwurfes eines Gesetzes zur Änderung des Abstammungs-, Kindschafts- und Kindesunterhaltsrechts
Die vorliegenden Gesetzesentwürfe wurden lange angekündigt und verzögerten sich immer wieder. Die Ankündigungen aus den Ministerien Familie und Justiz ließen auf wesentliche Veränderungen hoffen. Das, was jetzt als Gesetzesentwürfe vorgelegt wurde, ist allerdings mehr als enttäuschend. Verfassungswidrig, nicht im Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention, die Beschlüsse der Justizministerkonferenz der Länder und den gesellschaftlichen Wandel ignorierend, Männer und Väter diskriminierend – dafür die ideologischen Interessen einiger weniger Gruppen bedienend und ansonsten in vielen Fällen wirkungslos.
So lautet – kurz vorweggenommen – unsere Einschätzung der vorgelegten Entwürfe. Wir haben auch keinerlei Verständnis dafür, dass das von der SPD seit 7 Jahren geführte Justizministerium durch seine Ministerin öffentlich verkünden lässt, dass zwar eine große Familienrechtsreform erforderlich wäre (was wir auch so sehen und seit Jahren einfordern), hierfür aber nicht genügend Zeit bleiben würde. Dies zeigt leider eindrücklich, welchen Stellenwert das Wohlergehen von Kindern und Familien im politischen Raum hat, wo seit Jahrzehnten im Familienrecht lediglich die kleinstmöglichen Entwicklungsschritte, oftmals noch auferlegt durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, gegangen werden.
Familien ist nicht damit geholfen, wenn die Veränderungen der sie nachhaltig berührenden Gesetze immer wieder in die nächste Legislaturperiode verschoben werden. Familien ist nur durch Handeln des Gesetzgebers geholfen. Es bräuchte einen „wumms“ im Familienrecht – vorgelegt wurde ein Rohrkrepierer.
Der hier vorangegangenen, ungewöhnlich scharfen Kritik werden wir nachfolgend die Fakten liefern, die uns zu dieser doch sehr deutlichen Einschätzung haben kommen lassen, verbunden mit Vorschlägen, wie eine Neuregelung grundrechtskonform und den Bedürfnissen heutiger Familien entsprechend angepasst werden kann.
Wir haben die klare Erwartung, dass die Regierung die vorliegenden Entwürfe nicht in den Bundestag einbringt, sondern diese noch in dieser Legislaturperiode massiv und menschenrechtskonform in einer Art und Weise abändert, die den vielfältigen gesellschaftlichen Bedürfnissen und Veränderungen gerecht werden.
Unsere Stellungnahme bezieht sich dabei auf folgende Punkte:
- Abstammungsrecht – beabsichtigte Einführung einer Mit-Mutterschaft einer weiteren Frau kraft Ehe und Anerkennung
- Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch Anerkennung der Vaterschaft oder Mutterschaft
- Klarstellung des Gewaltschutzes beim Umgangsrecht
- Stärkung der Konfliktlösung und Vermeidung der Aufhebung der gemeinsamen Sorge durch Konzentration auf konkrete Meinungsverschiedenheiten
- Schaffung von mehr Rechtssicherheit in der Anwendung des Wechselmodells bei der Betreuung nach Trennung oder Scheidung, insbesondere beim Kindesunterhalt
- Gesetzliche Verankerung des Ausbildungsunterhalts
Abstammungsrecht – beabsichtigte Einführung einer Mit-Mutterschaft einer weiteren Frau kraft Ehe und kraft Anerkennung
„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern
und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Art. 6(2) GG
Das im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verbriefte natürliche Recht der Eltern ist bewusst nicht disponibel oder beliebig ausgestaltet. Es knüpft als „natürliches“ Recht bewusst nicht an rechtliche Rahmenbedingungen an, sondern an die Herkunft, die Abstammung eines Kindes.
Abstammen kann ein Kind ausschließlich von Mutter und Vater, die es genetisch geprägt haben – unveränderlich sein Leben lang, völlig unabhängig davon, in welchen Paarkonstellationen die biologischen/genetischen Eltern im Verlauf des Lebens des Kindes noch leben werden.
Das Bundessverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass Eltern jeder für sich Träger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist . Hierbei stellt das Bundesverfassungsgericht in erster Linie auf die leiblichen Eltern von Kindern ab. Mit dieser Selbstverständlichkeit bricht die geplante Änderung des § 1591 Abs. 2 BGB.
Zwar anerkennt das Bundesverfassungsgericht z. B. Adoptiveltern die Elternrechte nach Art. 6 Abs. 2 GG. Dies setzt aber den behördlichen Akt der Adoption voraus, der nach den entsprechenden Regelungen des BGB sicherstellt, dass Rechte von Eltern und Kinder nicht übergangen werden. Bei der geplanten Neufassung des § 1591 Abs. 2 BGB werden Rechte von Eltern und Kinder gerade nicht in der erforderlichen Weise geschützt. Durch die Einführung der Mit-Mutterschaft in der geplanten Form werden betroffene Kinder per Gesetz und ohne Einzelfallprüfung von ihrer verwandtschaftlichen Bindung zum Vater und der väterlichen Familie getrennt. Sie haben dann schlicht keinen Vater mehr. Dass solches für Kinder durchaus sehr belastend sein kann, dass Kinder zur gesunden Entwicklung auch väterliche Zuwendung benötigen, darauf weisen Kinderpsychologen seit Jahr und Tag hin.
An diese grundgesetzlich geschützte, leibliche Elternschaft knüpfen daher folgerichtig auch die Regelungen zur Abstammung an. Hier ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Geburtsmutter auch die genetische Mutter ist und der mit der Mutter verheiratete Mann der biologische/ genetische Vater. Auch die Regelungen der § § 1593, 1598a, 1599, 1600 und 1600 d BGB knüpfen hieran an. Eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft, bei der der Mann wissentlich zu Unrecht die Vaterschaft anerkennt, wird durch den Gesetzgeber ebenfalls bewusst ausgeschlossen (z.B. 1597a BGB).
Der Väteraufbruch für Kinder e. V. hält es für unerlässlich, dass die Vaterschaft gesetzlich genauso klar und unmissverständlich geregelt wird, wie die Mutterschaft. Insoweit wird davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber im Jahr 1900 anlässlich der Verabschiedung des BGB die Regelung der Vaterschaft genauso klar und eindeutig formuliert hätte, wie er das seinerzeit bei der Regelung der Mutterschaft getan hatte, hätten damals schon die Möglichkeiten der eindeutigen Vaterschaftsfeststellung durch DNA-Tests bestanden. Damals war dies jedoch nicht der Fall.
Heute aber besteht diese Möglichkeit. Daher ist anlässlich der Anpassung des BGB an die heutigen Verhältnisse und Möglichkeiten auch hinsichtlich der Definition der Vaterschaft vorzunehmen. Bei der Geburt eines Kindes ist automatisch ein Vaterschaftstest durchzuführen, so dass die Problematik der Kuckuckskinder und deren psychischen Belastungen, wenn sie hiervon erfahren, nicht mehr besteht. Verweigert ein Beteiligter den Vaterschaftstest bzw. die Zustimmung zu einem solchen, ist von Amts wegen ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchzuführen.
Art. 8 der europäischen Menschenrechtskonvention statuiert das Recht auf Familienleben und knüpft hier ebenfalls an die biologische Elternschaft an, wie mehrfach, z.B. im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht des biologischen, nicht rechtlichen, Vaters betont wurde.
Auch das Kind hat einen aus der UN-Kinderrechtskonvention herrührenden Anspruch, dass seine biologischen Eltern für es Verantwortung tragen (Art. 5 und Art. 18).
Mit den geplanten Änderungen des Abstammungsrechts plant die Regierung, all diese Grundrechte von Vätern und Kindern über Bord zu werfen. Die geplanten Änderungen des Abstammungsrechtes sind aus unserer Sicht verfassungswidrig in Bezug auf Art. 6 (2) GG und Art. 3 (3) Satz 1.
Wir lehnen daher die geplanten Änderungen des Abstammungsrechts insgesamt ab und würden, für den Fall, dass die Bundesregierung das Gesetz rechtskräftig werden lassen würde, die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um gegen das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht vorzugehen.
In das natürliche Recht von Vätern auf Pflege und Erziehung plant der Gesetzgeber einzugreifen, ohne dass es hierfür einen Rechtfertigungsgrund in Bezug auf das Wohlergehen des Kindes gibt, welches ein Eingreifen aufgrund des staatlichen Wächteramtes erforderlich machen würde. Anders als bei der bisherigen Vermutung der Vaterschaft durch den Ehemann kann bei einer Mit-Mutter auch keine Vermutung der biologischen Mutterschaft entgegengehalten werden – diese ist von vornherein ausgeschlossen.
Wenn im Referentenentwurf auf Seite 26 darauf hingewiesen wird, dass zwischen verschiedengeschlechtlichen und lesbischen Paaren ein rechtliches Ungleichgewicht besteht, so ist dem zuzustimmen. Dies gilt im Übrigen auch gegenüber schwulen Paaren, deren rechtliches Ungleichgewicht man aber offensichtlich als weniger bedeutsam oder vernachlässigbar ansieht, was man durchaus als staatliche Diskriminierung schwuler Paare bezeichnen kann.
Dieses rechtliche Ungleichgewicht zwischen lesbischen und verschiedengeschlechtlichen Paaren resultiert allerdings nicht aus einer zu beseitigenden Ungerechtigkeit, sondern aus der biologischen Tatsache, dass zwei Menschen gleichen Geschlechts keine Kinder zeugen können. Die Regelung der Abstammung ist daher gerade nicht vergleichbar mit Fragen der Ehe für alle oder der Stiefkindadoption auch für gleichgeschlechtliche Paare, denn die Abstammung ist völlig unabhängig von Paarkonstellationen von Erwachsenen und bezieht sich ausschließlich auf die biologisch-genetische Herkunft des Kindes.
Die beabsichtigten Regelungen schließen auch ausschließlich Väter aus ihrer natürlichen Elternverantwortung aus und diskriminieren sie ausschließlich aufgrund ihres Geschlechtes.
Sofern ebenfalls behauptet wird, dass das rechtliche Ungleichgewicht zu Lasten von Kindern, die in lesbische Beziehungen hineingeboren werden, bestehen würde, bleibt dies eine unsubstantiierte Behauptung, welche nahezu 1:1 aus den Lobbyschriften entsprechender Verbände übernommen sein könnte.
Ein Kind, welches in eine lesbische Beziehung hinein geboren wird, hat wie jedes andere Kind auch einen Vater und eine Mutter, selbst wenn diese in unterschiedlichen Haushalten leben sollten. Ein rechtliches Ungleichgewicht zu Lasten der Kinder würde der Gesetzgeber mit seinem geplanten Entwurf erst schaffen, indem er dem Kind seinen Vater als sorgeverpflichteten Elternteil und damit einen wesentlichen Teil seiner Identität nimmt. Dass dies für das Kind auch Einbußen in Bezug auf Erbschaft, Unterhalt und sonstige Fragen hat, sei an der Stelle nur ergänzend erwähnt.
Wenig erstaunlich ist, dass trotz der auch von Bundesjustizministerin Lambrecht geforderten, verfassungsrechtlichen Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz in den vorliegenden Entwürfen, welche massiv in die Rechte von Kindern eingreifen, nicht ein einziges Mal eine Prüfung des Gesetzesvorhabens in Bezug auf die Übereinstimmung mit der UN-Kinderrechtskonvention erfolgte. Hier hätte bei gewissenhafter Prüfung zwangsläufig festgestellt werden müssen, dass die geplanten Änderungen des Abstammungsrechtes unvereinbar mit der UN-Kinderrechtskonvention sind.
Es hätte auch auffallen müssen, dass in Erfüllung der UN-Kinderrechtskonvention die Bundesrepublik Deutschland eine positive Verpflichtung zu erfüllen hat, die biologischen Eltern des Kindes zu ermitteln und dem Kind bestmöglich die Übernahme der Verantwortung durch diese Eltern zu ermöglichen (Art. 5 und Art. 18 UN-KRK). Genau diese positive Verpflichtung soll aber mit dem vorliegenden Entwurf verhindert werden. Es kann nicht sein, dass sich das Abstammungsrecht nicht an den Rechten des Kindes, sondern ausschließlich an der zum Zeitpunkt der Geburt bestehenden Beziehung der leiblichen Mutter und ihren persönlichen Interessen orientiert
Hinzu kommt, dass die geplanten Regelungen zur Anerkennung der Mutterschaft (§ 1591 (2) Nr. 2 widersinnig sind und eine nicht wünschenswerte Konkurrenz zwischen einem, zweifellos vorhandenen, biologischen Vater und einer Mit-Mutter schaffen. Hier soll nicht einmal mehr an das Bestehen einer Ehe zwischen der biologischen Mutter und ihrer lesbischen Partnerin angeknüpft werden, sondern die Elternschaft wird vollends der Beliebigkeit preisgegeben.
Nicht minder widersinnig sind die angedachten Regelungen zur Anfechtung der Mutterschaft. Die Regelungen zur Anfechtung der Vaterschaft wurden geschaffen für Fälle, in denen gegenüber einem die Vaterschaft anerkennenden Mann oder aber dem Ehemann der Mutter später Zweifel an deren biologischer Vaterschaft aufkommen sollten, es sich also möglicherweise um sogenannte „Kuckuckskinder“ handeln würde. Solche Zweifel können bei einer Mit-Mutter überhaupt nicht aufkommen, da bei dieser von Anfang an unzweifelhaft feststeht, dass sie nicht leibliche Mutter des Kindes ist.
Mit der Neufassung des § 1597a (5) Satz 2 BGB schafft der Gesetzgeber zudem einen neuen Geschäftszweig zur rechtmäßigen falschen Anerkennung von Elternschaft – empfängt eine Mutter ein mittels Samenspende durch künstliche Befruchtung gezeugtes Kind, wird die Möglichkeit einer nichtmissbräuchlichen Anerkennung von Elternschaft geschaffen und damit eine legale Möglichkeit zur Umgehung des Verbotes des § 1597a BGB eröffnet.
Die Regelung des § 1599 (1) zum Nichtbestehen der Mutterschaft entbehrt nicht einer gewissen Komik, da in jedem Fall ein Mann Vater des Kindes sein muss. Auch hier läuft der Gesetzgeber sehenden Auges Gefahr, dass nach der Geburt des Kindes ein Wettlauf um die zweite „Elternstelle“ zwischen Mit-Mutter und biologischem Vater entbrennt, der, wenn er seine Vaterschaft feststellen lassen will, umgehend nach der Geburt die Mit-Mutterschaft anfechten muss, um keinen Rechtsverlust aufgrund einer sozial-familiären Bindung des Kindes zur Mit-Mutter zu erleiden.
So ist es auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Mit-Mutter in § 1600 (1) Nr. 1 ein Anfechtungsrecht eingeräumt werden soll – bei ihr ist in jedem Fall klar, dass das Kind nicht von ihr stammt, sondern von einem Mann stammen muss. So wird einer Anfechtung der Mit-Mutterschaft in jedem Fall der sogenannten Dreier-Erklärung, bei der ein Mann einem lesbischen Paar seinen Samen zur Zeugung des Kindes zur Verfügung stellt, Tür und Tor eröffnet. Es ließe sich in einem solchen Fall eindeutig feststellen, dass das Kind von dem Vater in der Dreiererklärung abstammt – ob das Kind tatsächlich medizinisch assistiert oder nicht doch aufgrund einer Beiwohnung in der Empfängniszeit entstanden ist, ließe sich nicht zweifelsfrei widerlegen. Sollten sich Mutter und Mit-Mutter innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt trennen, hätte der Gesetzgeber somit eine bequeme „Exit-Möglichkeit“ aus der dann nicht mehr erwünschten Elternrolle geschaffen.
Der Entwurf zeigt insgesamt, dass die Verfasser offensichtlich keine ausreichende Kenntnis von der Lebensrealität von Regenbogenfamilien haben, stellt er doch weit überwiegend auf die durch ungerichtete Samenspende gezeugten Kinder ab. Tatsächlich entstammen aber eine Vielzahl an Kindern in Regenbogenfamilien Vereinbarungen zwischen lesbischen und schwulen Paaren oder aber einer Mutter oder einem Vater, wo es bereits vor der Geburt sogenannte Co-Parenting-Vereinbarungen gibt, gemäß derer sich die Eltern gemeinsam um das Kind kümmern wollen.
Mit den vorliegenden Entwürfen würde eine Elternschaft von schwulen Männern aber quasi unmöglich oder allein von dem Willen der Mutter abhängig gemacht. Sie könnte während der Schwangerschaft eine Ehe eingehen oder der Anerkennung der Mitmutterschaft durch ihre neue nicht-ehelichen Partnerin zustimmen. In beiden Fällen würde der werdende Vater nachträglich zum bloßen Samenspender deklassiert, sein Anfechtungsantrag gegen die Mit-Mutterschaft wäre aufgrund des geplanten § 1600 (2) und von § 1600b (1.1.) chancenlos. Nach den Plänen des BMJV wäre die einzig rechtssichere Möglichkeit für einen schwulen Mann, rechtlicher Vater seines leiblichen Kindes zu werden, die Eingehung einer Ehe mit der Mutter. Angesichts der jahrzehntelangen Verfolgung und Diskriminierung schwuler Männer mit Hilfe der deutschen Gerichtsbarkeit, die erst vor wenigen Jahren rückwirkend aufgehoben wurde, ist dies eine schockierende Aussicht für schwule Männer und Väter.
Letztlich wird im Jahr 2020 ein völlig überholtes Männer- und Frauenbild kultiviert: Das Kind ist Eigentum der Frauen, der Mann bleibt außen vor. Das ist anti-emanzipatorisch und sexistisch. Es geht hier ausschließlich um eine Besserstellung lesbischer Co-Mütter gegenüber den biologischen Vätern. Der Entwurf diskriminiert Männer und macht sie zu einer abhängigen Variablen in Regenbogenfamilien ohne eigenen Zugang zu ihren leiblichen Kindern, für die sie eine soziale Rolle nur durch informelles Entgegenkommen und guten Willen der lesbischen Mütter hätten.
Allein der Umfang, den das Abstammungsrecht mittlerweile erreicht hat, zeigt, dass die Konstruktion der rein rechtlichen Elternschaft mit starken Mängeln behaftet, vielfach unverständlich ist und nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt. Die rein rechtlich definierte Vaterschaft hat ausgedient – und die automatische Mit-Mutterschaft hat im Abstammungsrecht schon rein aus verfassungsrechtlichen Gründen keine Berechtigung.
Wir können daher nur mit größter Nachdrücklichkeit an den Gesetzgeber appellieren, ein Abstammungsrecht zu schaffen, welches dem ursprünglichen Regelungsgedanken entspricht: nämlich tatsächlich die Abstammung des Kindes zu regeln.
Die vor über 100 Jahren notwendige Vermutung der Vaterschaft ist aufgrund des Fortschritts in der Diagnostik heutzutage nicht mehr notwendig. Die biologische Vaterschaft kann heute bereits in der Schwangerschaft risikolos für das werdende Leben durch eine Blutentnahme bei der Mutter festgestellt werden.
Die bisherigen Regelungen zur Elternschaft aus den § § 1591 – 1600d BGB ließen sich auf folgende eindeutige und einfache Regelungen zusammenfassen:
§ 1591 BGB Mutterschaft
Mutter des Kindes ist die Frau, deren genetische Erbinformationen das Kind in sich trägt.
§ 1592 BGB Vaterschaft
Vater des Kindes ist der Mann, dessen genetische Erbinformationen das Kind in sich trägt.
§ 1593 BGB Feststellung der Elternschaft
Die Elternschaft ist spätestens unmittelbar nach der Geburt per Gentest festzustellen. Verweigert ein mutmaßlicher Elternteil die Zustimmung zum Gentest, ist die Zustimmung zur Wahrung der Rechte des Kindes gerichtlich zu ersetzen.
§ 1594 – 1600d BGB
entfallen
Dies wäre eine einfache, verständliche, eindeutige, vor Missbrauch geschützte, alle Konstellationen berücksichtigende und vor allem grundrechts-, menschenrechts- und kinderrechtskonforme Regelung. Lediglich für „Altfälle“ müssten die bisherigen Regelungen noch übergangsweise fortbestehen.
Hinzu kommt: mit der bisherigen, an die Ehe anknüpfenden Vermutung der Vaterschaft und damit gleichzeitigen Begründung einer rein rechtlichen Vaterschaft liegt noch immer eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder vor, die in Ansehung des Art 6 Abs. 5 GG beseitigt werden sollte, damit der Gesetzgeber seinem verfassungsgemäßen Gestaltungsauftrag nachkommt.
Sofern auf Seite 26 des Referentenentwurfs darauf hingewiesen wird, dass die „Akzeptanz nichtehelicher Lebensgemeinschaften, von Stief- und Patchwork-Familien und gleichgeschlechtlichen Beziehungen weiter gestiegen“ ist, so kann der Gesetzgeber dem nicht durch ausschließlich (grundrechtswidrige) Anpassungen für lesbische Paare begegnen. Auch ist das Abstammungsrecht hierfür der falsche Ort.
Regelungen für lesbische und schwule Paare, aber vor allem für die zahlenmäßig weitaus größere Anzahl von Stief- und Patchworkfamilien sowie schwule Lebensgemeinschaften mit Kindern sollten im Bereich der Alltagssorge (§ 1687 ff BGB) geregelt werden, wozu wir weiter unten Stellung nehmen. Denn letztendlich ist auch eine lesbische Beziehung mit Kindern nur eine Variante einer Patchwork-Familie, in der Kinder mit einem leiblichen und einem nichtleiblichen Elternteil zusammen leben. Hier muss sich das Ministerium den Vorwurf eines ausschließlich klientelpolitischen Vorgehens zugunsten von lesbischen Frauen gefallen lassen, denn eine breitere Ausrichtung an den vielfältigen gesellschaftlichen Realitäten und rechtlichen Notwendigkeiten ist in dem gesamten Entwurf zum Abstammungsrecht leider nicht zu erkennen.
Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch Anerkennung der Vaterschaft oder Mutterschaft
Die vorstehenden Ausführungen zum Abstammungsrecht geben auch in Bezug auf die Erlangung der gemeinsamen Sorge bereits die Richtung vor. Wir lehnen die vorgeschlagenen Änderungen als unzureichend und in Teilen diskriminierend ab.
Dabei erkennen wir an, dass in einigen Fällen eine Verwaltungserleichterung eintritt. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn die Mutter einverstanden ist, dass der Vater sowohl die Vaterschaft als auch die elterliche Sorge erhalten soll. In solchen Fällen ist der Vater aber vom Wohlwollen der Mutter abhängig, ob er sein natürliches Recht erlangt oder nicht.
Wir haben anhand des Referenten-Entwurfs einmal dargestellt, welche Auswirkungen dieser aufgrund unserer über 30-jährigen Beratungs- und Praxiserfahrungen zukünftig haben wird:
• Zusammenlebende Eltern, bei denen die Mutter mit Vaterschaft und gemeinsamen Sorgerecht einverstanden ist, profitieren minimal, da es nur einen Verwaltungsschritt gibt. Auch bisher konnte die gemeinsame Sorge aber bereits sehr einfach geklärt werden.
• Zusammenlebende Eltern, bei denen die Mutter nicht einverstanden mit dem gemeinsamen Sorgerecht ist: Die Mutter riskiert die Beziehung und das Gerichtsverfahren, z.B. weil "es ihr Kind ist", wenn der Vater darauf besteht, als Vater und Sorgeberechtigter eingetragen zu werden.
• Wahrscheinlicher wird aber sein, dass der Vater in solchen Situationen notfalls des lieben Friedens willen auch auf die Anerkennung der Vaterschaft verzichtet, um nicht die Beziehung und damit auch den Kontakt zu seinem Kind zu gefährden. Also so, wie es im Moment beim Thema gemeinsames Sorgerecht der Fall ist. In der Geburtsurkunde des Kindes steht dann „Vater unbekannt“. Dies würde die Position des Kindes schwächen, das im Falle eines Ablebens seiner Mutter kein zweites rechtliches Elternteil hätte, das die notwendigen Entscheidungen für das Kind treffen könnte. Unterhalt erhält die Mutter so natürlich trotzdem - aus dem Zusammenleben in der Partnerschaft, in der ja gemeinsam gewirtschaftet wird.
• Trennen sich diese Eltern, wird die Mutter vielleicht gerichtlich die Vaterschaft feststellen lassen (keinesfalls einfach anerkennen), als notwendiges Übel, um Unterhalt zu erhalten. Gleichzeitig aber kann sie das gemeinsame Sorgerecht ablehnen - mit einer hervorragenden Begründung: Der Vater würde sich ja nicht einmal für das Kind interessieren und hätte seine Vaterschaftsanerkennung in den letzten Jahren ja auch nicht eingefordert.
Natürlich kann auch der Vater seine Vaterschaft und das Sorgerecht beantragen – bis zur Klärung wäre er aber rechtlos und hätte nicht einmal ein Umgangsrecht. Eine solche Klärung kann sich im Zweifelsfall über Jahre hinziehen.
• Bei Trennungen vor Geburt des Kindes, bei denen die Mutter den Vater aus dem Leben des Kindes ausgrenzen will, werden wir mehr Fälle haben, in denen in der Geburtsurkunde stehen würde "Vater unbekannt". Dies mag dem Interesse der Mutter entsprechen, nicht aber dem Kindeswohl. Um ihren Willen zur Alleinsorge durchzusetzen, werden diese Mütter quasi dazu ermutigt oder genötigt. Die Vaterschaft anerkennen wird sie nach neuer Rechtslage dann nicht, denn dann gäbe es ja gemeinsames Sorgerecht, was ihren Interessen (nicht denen des Kindes) widersprechen würde. Wenn die Mutter dann Unterhalt (für sich und das Kind) haben möchte, lässt sie die Vaterschaft gerichtlich feststellen und lehnt gleichzeitig die gemeinsame Sorge ab - nur so wird es zukünftig gehen.
Auch hier kann der Vater natürlich Vaterschaft und Sorgerecht beantragen – er wäre wie zuvor allerdings erst einmal völlig rechtlos und seine Chancen, das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten, wären aufgrund der weiteren Verschlechterungen für Väter im vorliegenden Referentenentwurf nahezu ausgeschlossen, worauf wir nachfolgend noch eingehen.
Wir werden also voraussichtlich mehr Kinder ohne benannten Vater und mehr gerichtliche Verfahren haben. Eine völlig widersinnige Regelung und ein neues Kapitel „Streit per Gesetz“ – das „Kindeswohl“, das man angeblich schützen möchte, gerät so zur Farce und Kinder werden weiterhin unnötig in den Mühlen der Justiz zerrieben.
Die Begründungen, die für den vorgeschlagenen Weg des Referentenentwurf herangezogen werden, sind mehr als abenteuerlich und haltlos.
Dabei wird auf Seite 34 des Entwurfes noch angeführt:
„Dabei ist aufgrund der bisher gewonnenen Erfahrungen und Forschungsergebnisse davon auszugehen, dass die gemeinsame elterliche Sorge in der Regel dem Wohl des Kindes dient. Auf dieser Annahme beruht für nicht miteinander verheiratete Eltern die bisherige Regelung des § 1626a BGB.“
Betrachten wir einmal die im Entwurf angeführten Gegenargumente, „nicht in allen Fällen die rechtliche Vaterschaft automatisch zu einem gemeinsamen Sorgerecht führen zu lassen“.
Das Argument der durch Vergewaltigung gezeugten Kinder wird im Entwurf selbst als seltene Ausnahme betrachtet. Dies dürfte zutreffend sein, wenn man bedenkt, dass es 2019 gerade einmal 17 Schwangerschaftsabbrüche aufgrund kriminologischer Gründe, also Vergewaltigung, gab und die Zahl der Geburten vermutlich noch geringer sein wird. Das Argument ist also keinesfalls geeignet, Väter unter Generalverdacht zu stellen.
Ebenfalls kein Grund, dem Vater das gemeinsame Sorgerecht zu verwehren, ist, wenn ein Elternteil einen Schwangerschaftsabbruch gefordert hat. Wäre es die Mutter gewesen, die mit Geburt automatisch alleinige Sorgerechtsinhaberin wäre, müsste nach dem Ansinnen des Entwurfs eigentlich ihr die Sorge entzogen werden. Stattdessen soll als „guter Grund“ sie lediglich dem Vater nicht automatisch zugestanden werden. Dabei ist der Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch kein Grund, die elterliche Sorge grundsätzlich auszuschließen. Es kann für beide Eltern durchaus eine nachvollziehbare Option sein, einen Abbruch einer Schwangerschaft in Anbetracht der konkreten Umstände (Beziehungsstatus, gesundheitliche Gründe, Zukunftsaussichten etc.) in einem frühen Stadium der Schwangerschaft mit in Erwägung zu ziehen.
Hieraus pauschale Schlüsse auf eine spätere Sorgeausübung gegenüber dem dann geborenen Kind ziehen zu wollen, ist allerdings nicht gerechtfertigt. Vielmehr liefert der Entwurf in Fällen, in denen die Mutter das gemeinsame Sorgerecht aus eigennützigen Gründen ablehnt, quasi eine Argumentationsgrundlage mit. Ob der Vater tatsächlich eine Abtreibung gefordert hat, wird sich meist kaum belegen lassen. Falschbehauptungen würde so Tür und Tor eröffnet.
Nur, was führt der Entwurf noch für Gründe an:
„Daneben gibt es andere Fälle, in denen eine gemeinsame elterliche Sorge nicht angezeigt erscheint: Ist das Kind aus einer einmaligen Begegnung heraus gezeugt worden, haben die Eltern grundsätzlich verschiedene Vorstellungen von einem Kinderwunsch“.
Woher der Verfasser des Referentenentwurfes die Kenntnis nimmt, dass Eltern in solchen Fällen „grundsätzlich“ verschiedene Vorstellungen hätten, wird nicht erklärt. Wie eine solch gänzlich unsubstantiierte Behauptung als Grundlage für eine Gesetzesänderung herangezogen werden kann, ist völlig unverständlich. Auch bei ungeplanter Elternschaft können die Eltern ähnliche Vorstellungen von einem Kinderwunsch haben.
Zudem ignoriert eine solche Sicht, dass es nach Art. 6(2) GG die den Eltern zuvörderst obliegende Pflicht ist, die Pflege und Erziehung für die Kinder auszuüben.
Die Elterliche Sorge ist kein Wunschkonzert.
Wie der Gesetzgeber bereits 2013 mit der Neuregelung des § 1626a BGB klargestellt hat, haben sich die Eltern notfalls unter Zuhilfenahme Dritter darum zu bemühen, die Elterliche Sorge zum Wohle ihrer Kinder gemeinsam auszuüben (BT Drucks 17/11048 Seite 17). Dies hat der Staat notfalls auch von beiden Eltern zur Erfüllung ihrer Pflicht einzufordern (vergl. auch § 1627 BGB). Erst wenn dies tatsächlich und objektiv nicht möglich ist, gibt es die Möglichkeit, dass aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird, ob die elterliche Sorge durch Vater oder Mutter allein ausgeübt werden soll – ein mütterliches „Vorfahrtsrecht“, wie es der hiesige Referentenentwurf implizit unterstellt, gibt es nicht und hier wird offensichtlich versucht, den positiven Paradigmenwechsel der Reform von 2013 und damit die Neuregelung des § 1626a quasi durch die Hintertür aufzuweichen.
Dies bestätigt sich dann leider mehr als deutlich auf Seite 39 des Referentenentwurfes, wo es heißt:
„Erfolgt dagegen eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft, beginnt die Elternstellung des Vaters mit einem Streit und der Ablehnung seiner Elternschaft (sei es durch ihn, sei es durch die Mutter). Hier fehlt es von vornherein an einem Grundkonsens über die gemeinsame Elternschaft und damit regelmäßig auch an einem Grundkonsens über eine gemeinsame elterliche Sorge. Es ist daher richtig, in diesen Fällen eine gemeinsame elterliche Sorge weiterhin nur dann vorzusehen, wenn die Eltern gemeinsame Sorgeerklärungen abgeben oder einander heiraten und auf einem dieser Wege den Grundkonsens herstellen oder wenn ihnen die gemeinsame Sorge durch das Familiengericht übertragen wird.“
Oder um es kurz zu machen: Wenn die Mutter nicht will und sie keinen Grundkonsens herstellt, dann erhält der Vater kein gemeinsames Sorgerecht. Damit würde das 2009 durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als menschenrechtswidrig erkannte mütterliche VETO-Recht wiedereingeführt. Und dies, obwohl die 2019 veröffentlichte Evaluation der Neuregelung der elterlichen Sorge von 2013 durchweg positive Resultate aus der Praxis lieferte. Auch hier sollen offensichtlich, entgegen jeder Faktenlage, Partikularinteressen einiger weniger Mütterverbände bedient werden. Eine derart offensichtlich menschenrechtswidrige, die gesellschaftliche Entwicklung ignorierende Begründung in einem Gesetzesentwurf wirft ein mehr als fragwürdiges Licht auf das Ministerium für Justiz- und Verbraucherschutz und kann eigentlich nicht ohne politische Konsequenzen bleiben.
Gänzlich unberücksichtigt bleibt im Übrigen, dass es auch Gründe geben kann, die gegen eine Ausübung der elterlichen Sorge durch die Mutter sprechen. Stattdessen werden allen nichtehelichen Vätern erst einmal unsubstantiierte Pauschal-Vorverurteilungen vorgehalten, die ihnen den Zugang zur elterlichen Sorge erschweren. Dies ist Vätern gegenüber diskriminierend und es darf ernsthaft bezweifelt werden, dass eine solche Gesetzesvorlage im Jahr 2020 noch im Einklang mit dem Grundgesetz stehen würde.
Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht eine Regelung, mit der nichtehelichen Vätern nicht automatisch die elterliche Sorge mit Vaterschaftsanerkennung zugestanden wird, noch für verfassungskonform erachtet. Schon damals wurde aber auch festgestellt:
„Die dem geltenden Recht zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen, hat sich nicht bestätigt.“
Stützte das Bundesverfassungsgericht seine damalige Auffassung, dass es noch verfassungskonform (aber nicht gesetzgeberisch notwendig) wäre, nichtehelichen Vätern nicht automatisch die gemeinsame Sorge zu gewähren auf die Annahme, dass nicht sicher wäre, dass die Eltern die gemeinsame Sorge auch gemeinsam ausüben könnten, so dürfte diese Sicht heutzutage nach mittlerweile 7 Jahren positiver Erfahrung mit der Neuregelung der elterlichen Sorge, bei der nur in sehr wenigen Einzelfällen die gemeinsame Sorgetragung nicht möglich ist, nicht mehr haltbar sein. Dies hat die umfangreiche wissenschaftliche Evaluation der Neuregelung aus 2013 eindrucksvoll belegt. Da sich auch die Auslegung der Verfassung an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen orientiert, kann dies auch bei einer heutigen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht nicht unberücksichtigt bleiben:
„Die Veränderungen im Familien - und Rollenverständnis sind Ausdruck eines stillen Verfassungswandels (vgl. hierzu: Bryde, Verfassungsentwicklung, Baden-Baden 1982, S. 216ff., 259), der mit Blick auf Artikel 6 GG verfassungsprägend ist. Dieser Wandel kann sich auch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 GG stützen, soweit eine Parität der Elternrechte in Frage steht." Die Veränderung tatsächlich gelebter sozialer Verhaltensformen hat gerade in diesem Bereich der engsten persönlichen Intimsphäre auch Rückwirkungen auf das Verfassungsrecht, das den sozialen Wandel nicht unberücksichtigt lassen kann." (so schon: Coester-Waltjen, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 5. Aufl. 2000, Art. 6, Rdnr. 3 m. w. Nachw.)“
Unabhängig davon, dass das Bundesverfassungsgericht die erheblichen Veränderungen der Sachlage nicht unberücksichtigt lassen könnte, ist es nicht hinnehmbar, dass mit dem Referentenentwurf erneut eine „Rolle rückwärts“ vorgenommen werden soll. Empirisch belastbare Gründe, das gemeinsame Sorgerecht ab Geburt nichtehelichen Vätern zu verwehren, werden im Referentenentwurf nicht genannt. Sollte der Gesetzgeber sicherstellen wollen, dass für durch Vergewaltigung gezeugte Kinder kein automatisches gemeinsames Sorgerecht gewährt werden soll, so ließe sich dies leicht durch einen Ausnahmetatbestand regeln, anstatt diese zum Glück nur extrem seltenen Fälle allen nichtehelichen Vätern pauschal entgegen zu halten.
Der Entwurf weist selbst darauf hin, dass in den meisten europäischen Staaten das gemeinsame Sorgerecht mit Anerkennung der Vaterschaft begründet wird. Abweichende Regelungen sind die seltene Ausnahme und überwiegend im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) bekannt.
Wenn das politische Ziel nicht lautet, Deutschland in dieser Frage die rote Laterne im europäischen Vergleich zu sichern, dann gibt es nur eine Lösung: das gemeinsame Sorgerecht für Mütter und Väter ab Geburt bzw. Vaterschaftsfeststellung.
Im Zusammenhang mit der zuvor ausgeführten, eindeutigen Feststellung der Vater- und Mutterschaft könnten die § § 1626a – f entfallen, da der § 1626 BGB eine ausreichende Grundlage für das Sorgerecht der Eltern, unabhängig von deren Beziehungsstatus, liefern würde.
Für die sehr wenigen Fälle, in denen eine gemeinsame Sorgeausübung tatsächlich nicht möglich sein sollte, obliegt es dann den Familiengerichten eine Entscheidung zu treffen, die Schaden von Kindern abwendet und entweder der Mutter, dem Vater oder auch einem Dritten die rechtliche Sorge für das Kind zuspricht, wenn ein oder beide Elternteile bei der Sorgeausübung versagen. Der § 1666 BGB bietet hierfür die erforderliche, verfassungskonforme Eingriffsermächtigung.
Notwendig wären hierfür vor allem hochqualifizierte Familiengerichte und Verfahrensbeistände. Leider zeigen auch die hierzu vorliegenden Gesetzesentwürfe, dass das Justizministerium eine tatsächliche Verbesserung in diesem wichtigen Bereich nicht fördern, sondern mit überwiegend wirkungsloser Symbolpolitik aktiv behindern will, wie wir in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder (mit Regelungen zur Qualifizierung von Familienrichtern, Verfahrensbeiständen, zur Beschwerde in Familiensachen und zur Kindesanhörung) bereits dargelegt haben.
Klarstellung des Gewaltschutzes beim Umgangsrecht
Wie im Entwurf selbst festgestellt wird, gibt es zu diesem Punkt eigentlich keinen Regelungsbedarf, da auch die Ausgestaltung des Umgangsrechts dem Kindeswohlprinzip unterliegt und Gewalt im Rahmen von familiengerichtlichen Entscheidungen mit Berücksichtigung findet.
Insofern sehen wir auch die beabsichtigte Ergänzung des § 1626 BGB als inhaltsleer an, da dieser bisher bereits ein Regel-Ausnahmeverhältnis darstellt. Kritisch ist auch die Formulierung „sofern die Gewalt Auswirkungen auf das Kind hat“ zu sehen.
„Auswirkungen“ ist ein sehr weit gefasster Begriff, der sowohl positive wie negative Auswirkungen umfassen kann. Zutreffender wäre hier wohl „sofern die Auswirkungen der Gewalt auch zukünftig dem Kindeswohl widersprechen oder dieses gefährden“.
Aus diesem Grund lehnen wir den Entwurf in der vorliegenden Form ab.
Nicht akzeptabel ist, dass der Entwurf auch an dieser Stelle ganz offen die Interessen einzelner Mütter-Lobbygruppen aufgreift, ohne dabei tatsächlich den Schutz der Kinder im Auge zu haben. Denn es muss klargestellt werden, dass Gewaltschutz nicht nur im Umgangsrecht berücksichtigt werden muss, sondern grundsätzlich bei der Ausübung der elterlichen Sorge – dies gilt sowohl gegen den Umgangsberechtigten als auch gegen den betreuenden Elternteil. Kinder haben in allen Lebenslagen einen Anspruch auf Schutz vor Gewalt, wobei das Thema psychische Gewalt gegen Kinder im Rahmen von Trennung und Scheidung bisher viel zu wenig Berücksichtigung findet. Ebenso unberücksichtigt bleiben leider selbst nachgewiesen falsche Gewalt- oder Missbrauchsvorwürfe, welche wir seit vielen Jahren und zunehmend inflationär als taktisch eingesetztes Mittel in Kindschaftsverfahren feststellen.
Angesichts der Tatsache, dass das Ministerium zu vielen wichtigen Gesetzgebungsprojekten betont, dass nicht ausreichend Zeit zur Regelung gewesen wäre, stößt es auf Unverständnis, dass hier offensichtlich ideologiegetrieben ein Thema geregelt werden soll, bei dem selbst der Referentenentwurf keine besondere Dringlichkeit erkennen kann und dies auch so ausführt.
Stärkung der Konfliktlösung und Vermeidung der Aufhebung der gemeinsamen Sorge durch Konzentration auf konkrete Meinungsverschiedenheiten
Das Ansinnen, Eltern stärker zur einvernehmlichen Konfliktlösung zu verhelfen, begrüßen wir grundsätzlich und würden uns hier eine deutliche Verschiebung von gerichtlichen Entscheidungen hin zu außergerichtlichen Lösungswegen wünschen, welche den Eltern auch die Fähigkeit vermittelt, zukünftige Meinungsverschiedenheiten selbst zu lösen. Dies vermag eine Gerichtsentscheidung nicht zu leisten – diese fällt lediglich ein Urteil (Beschluss), ohne dass die Eltern gelernt haben, wie sie selbst ihre Meinungsverschiedenheiten miteinander lösen können. In der Folge wird – als erlerntes Verhalten – beim nächsten Konflikt auch wieder das Gericht bemüht, was sicherlich weder im Interesse der beteiligten Kinder noch der Gerichte liegt.
Wir können allerdings nicht erkennen, inwiefern der vorliegende Entwurf einen Beitrag zur Stärkung alternativer Konfliktlösungen leisten soll. Bereits heute haben wir im § 1627 Satz 2 BGB die klare Weisung an die Eltern: „Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen“.
Diese als „Muss“-Vorschrift ausgelegte Regelung ist rechtlich weitaus verbindlicher, als die nun im § 1628 (1) BGB angedachte „Soll“-Regelung. Leider wird die grundsätzlich richtige Ausrichtung des in der Praxis nahezu nie herangezogenen § 1627 BGB durch die angedachten Regelungen noch aufgeweicht. Einen Beitrag zur Stärkung einvernehmlicher Konfliktlösungen wird die Regelung daher aus unserer Sicht nicht leisten. Der Entwurf ist in diesem Punkt aus unserer Sicht inhaltsleer und wirkungslos.
Dabei ist die auf Seite 32 des Referentenentwurfs aufgeführte Problembeschreibung der aktuellen Situation schon erstaunlich präzise gefasst. Bei aller berechtigten Kritik darf an dieser Stelle auch durchaus ein Lob ausgesprochen werden.
So heißt es dort:
„Ob tatsächlich ein Einigungsversuch unternommen wurde, bevor in die nächste Phase der Eskalation – Antrag bei dem Familiengericht – eintreten wird, spielt für die Zulässigkeit eines Antrags keine Rolle.“
Der Entwurf ändert an dieser Situation nichts.
„Wenn die Eltern diese Einigungspflicht missachten, bleibt dies ohne Rechtsfolgen.“
Auch für dieses zutreffend beschriebene Problem liefert der Entwurf keine Lösung. Nur warum wird ein Problem beschrieben, wenn dieses dann im Gesetzgebungsverfahren nicht ansatzweise gelöst wird?
Wir haben heute noch immer die Situation, dass vor allem der Elternteil, der die überwiegende Betreuung des Kindes innehat, meist folgenlos die Kommunikation, die Kooperation und jeglichen Einigungsversuch verweigern kann, um sich anschließend mit dem Argument „die Eltern können sich nicht einigen“ die Alleinentscheidungsbefugnis oder gar die Alleinsorge zu sichern. „Streit als Strategie“ ist für den streitenden, hauptbetreuenden Elternteil nicht folgenlos – nein, dieser Elternteil kann sich nahezu sicher sein, dass er im gerichtlichen Verfahren den Sieg davontragen wird, solange er sich nur den umfangreichen Zugriff aufs Kind sichert.
Damit wird das Kind zur wirkungsvollsten Waffe im Krieg zwischen den Eltern und seine Schädigung durch Anheizen des Elternstreits der effektivste Weg zur Erreichung der eigenen, kindeswohlschädigenden Ziele. So dramatisch die vorstehenden Schilderungen klingen, so sind sie es leider in der Praxis auch. Der vorliegende Referentenentwurf wird daran nichts ändern, sondern den desolaten Zustand auf Kosten der Kinder weiter verfestigen.
Gleiches gilt auch für die angedachte Ergänzung des § 1671 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2. Dieser zielt auf eine positive Kindeswohlprüfung ab und stellt aus unserer Sicht einen Verstoß gegen Art. 6(2) GG dar, da er einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge weit unterhalb der verfassungsmäßig zulässigen Schwelle ermöglicht. Zudem wird dieser Paragraf zu Recht als „Streitparagraf“ bezeichnet, da er den Wettbewerb der Eltern, wer der bessere und wer der schlechtere Elternteil ist, nahezu zwangsläufig anheizt.
Um das Ziel des Referentenentwurfs zu erreichen, bräuchte es andere, wirkungsvolle Maßnahmen. Dazu gehört, den aus unserer Sicht verfassungswidrigen § 1671 BGB ersatzlos zu streichen. Der § 1666 BGB bietet bereits eine verfassungskonforme Eingriffsschwelle in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht in notwendigen Einzelfällen.
Anstatt den § 1628 BGB auszuweiten, sollte dies besser in § 1627 BGB erfolgen. Eine gesetzliche Regelung könnte wie folgt aussehen:
§ 1627 Ausübung der elterlichen Sorge
1. 1Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. 2Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.
2. Vor Einleitung eines familiengerichtlichen Verfahrens sind die Eltern verpflichtet, eine Beratung in einer staatlich zertifizierten Familien- und Konfliktlösungsberatungsstelle zu absolvieren. Die Beratungsstellen haben über die Mitwirkung jedes Elternteils, Ergebnisse und weiterhin offene Fragen einen Bericht zu erstellen, der dem Gericht bei Antragstellung vorzulegen ist.
3. Bei Entscheidungen über die Ausübung oder die Zuweisung, auch von Teilen, der elterlichen Sorge, soll vorrangig berücksichtigt werden, welcher Elternteil sich tatsächlich um eine Einigung bemüht hat.
4. Die unter (2) genannten Voraussetzungen zur Einleitung eines Verfahrens beim Familiengericht gelten nicht in Fällen von Kindeswohlgefährdung, Kontaktabbruch oder eilbedürftigen Entscheidungen, die keinen Aufschub dulden.
Mit einer solchen Regelung würde tatsächlich eine Motivation für beide Eltern geschaffen, sich ernsthaft um eine Einigung ihrer Meinungsverschiedenheiten zu bemühen.
Begleitet werden müsste dies mit dem Aufbau eines Netzes qualifizierter und zertifizierter Beratungsstellen. Für eine Übergangszeit von z.B. 3 Jahren könnte noch auf die bisherige Beratungs-Infrastruktur verwiesen werden. Grundprinzip muss sein, dass Beratungstermine zeitnah in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Der Beschleunigungsgrundsatz aus familiengerichtlichen Verfahren soll insbesondere in schwierigen Fällen nicht durch eine vorgelagerte Beratung ausgehöhlt, sondern in geeigneten Fällen der Weg zu einvernehmlichen Lösungen eröffnet werden.
Wenn der Gesetzgeber es tatsächlich ernst damit meint, familiengerichtliche Verfahren zu deeskalieren und Eltern zu einvernehmlicher Konfliktlösung anleiten zu wollen, dann wäre es sinnvoll, einen Blick zurück zu werfen, wie bisherige Reformbemühungen gewirkt haben. Mit der Evaluation der FGG-Reform liegen bereits Langzeit-Ergebnisse vor.
Diese zeigen leider deutlich, dass die vom Gesetzgeber gewählten Instrumente zur Deeskalation von familiengerichtlichen Verfahren nicht gewirkt haben. Rühmte man sich anfangs noch damit, dass man „wesentliche Elemente der Cochemer Praxis“ ins FamFG übernommen habe, waren es auch nach Ansicht von Richter a.D. Jürgen Rudolph, der wesentlich die Cochemer Praxis begründete, bestenfalls Spurenelemente. Die Widersprüchlichkeit des gesetzgeberischen Handelns zeigte sich beispielsweise im § 156 (1) Satz 3 – 5. So kann das Gericht zwar ein Informationsgespräch über eine Beratung (nicht die Beratung selbst) anordnen. Allein dies ist schon ein sehr schwaches gerichtliches Mandat. Dann aber noch im Satz 5 zu regeln, dass solche Anordnungen nicht durchsetzbar sind, entwertete diese Regelung vollends. In der Praxis spielen diese daher bis heute keine Rolle. Zu den ursprünglichen Entwürfen wurde anscheinend durch Hinterzimmerpolitik im letzten Moment noch jeder Funken von Wirksamkeit der Maßnahmen aus dem Gesetzentwurf herausgeschrieben.
Entweder hat der Gesetzgeber den Willen, etwas zu verbessern, dann muss er die gesetzlichen Regelungen aber auch verbindlich und durchsetzbar, notfalls auch sanktionsbewehrt, gestalten. Ein mit inhalts- und wirkungslosen Paragraphen aufgeblähtes Gesetz hilft keinen Eltern, hilft keinen Kindern. Es sollte endlich Schluss damit sein, durch juristische Winkelzüge jede Verbesserung für Trennungseltern zu verhindern. Dies mag bei dem einen oder anderen Anwalt vielleicht zu verminderten Einnahmen führen – es würde aber Familien helfen und die Staatskassen erheblich entlasten.
Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, im gerichtlichen Verfahren die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Sinne der Cochemer Praxis nicht nur in Spurenelementen, sondern vollumfänglich gesetzlich zu verankern und bundesweit umzusetzen. Diesen Auftrag hat der Gesetzgeber bereits am 2. Oktober 2015 erhalten – mit der einstimmigen Annahme der Resolution 2079 (2015) der parlamentarischen Versammlung des Europarates, welche die Einführung der Cochemer Praxis in allen 47 Mitgliedsstaaten fordert. Ein starker Appell, den der die Bundesregierung, wie auch bei anderen grund- und menschenrechtlichen Appellen auf europäischer Ebene, wieder einmal ungehört verhallen lässt.
Schaffung von mehr Rechtssicherheit in der Anwendung des Wechselmodells bei der Betreuung nach Trennung oder Scheidung, insbesondere beim Kindesunterhalt
Dass das Unterhaltsrecht schon lange nicht mehr zeitgemäß ist, ist seit langem bekannt. So wurde bereits 2015 beim Deutschen Familiengerichtstag festgestellt:
„In der Diskussion ist offen zu Tage getreten, dass die unterhaltsrechtliche Regelung nach dem Leitbild „eine(r) betreut und eine(r) bezahlt“ nicht mehr zeitgemäß ist und auch nicht mit den übrigen gesetzlichen Regeln in Einklang steht.
§ 1606 Abs. 3 BGB ist grundlegend zu reformieren.“
Im Mai 2015 gab es ein Symposium zum Unterhaltsrecht in Justizministerium und eine Experten-Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Frage, wie das Unterhaltsrecht zu reformieren sei. Diese Arbeitsgruppe soll ihre Arbeit bereits Ende 2018 beendet haben.
In ihrer Frühjahrskonferenz 2017 forderte die Justizministerkonferenz der Länder, die Regelungen zur Handhabung der Doppelresidenz (Wechselmodell) umfangreich, auch für das Unterhaltsrecht, zu regeln, da dieser bisher von der Gesetzgebung nicht erfasste Rechtsbereich in der Praxis zu erheblichen Problemen führt.
Bereits im März 2019 wurde eine Unterhaltsreform in Verbindung mit einer Reform des Sorge- und Umgangsrechts für den Herbst 2019 angekündigt. Dies wurde verschoben auf Frühjahr 2020 und nun, im Herbst 2020, heißt es plötzlich, für eine umfassende Reform fehle die Zeit.
Eine der wesentlichen Aussagen des Reformentwurfes lautet nun, dass „das materielle Kindesunterhaltsrecht im Rahmen dieser Teilreform nicht grundsätzlich reformiert werden soll“.
Die vorgenannten Umstände legen die Vermutung nahe, dass auch dieses bereits vor 1½ Jahren konkret angekündigte Reformvorhaben nun nur aufgrund politischer/taktischer Erwägungen „auf die lange Bank“ geschoben und wieder einmal in die nächste Legislaturperiode vertagt wird. Alle Fakten liegen auf dem Tisch und selbst der Koalitionsvertrag sah vor, dass es beim Unterhalt stärker berücksichtigt werden sollte, wenn beide Eltern intensiv in die Erziehungsverantwortung eingebunden sind.
Was wir hier vorfinden, kann leider nur als gesetzgeberische Arbeitsverweigerung bezeichnet werden. Angesichts eines solchen Verhaltens ist die Politikverdrossenheit vieler Menschen nachvollziehbar.
Es erübrigt sich angesichts dessen schon fast, auf die vorgeschlagenen Änderungen einzugehen, da diese an einem System vorgenommen werden sollen, welches untauglich ist, den Anforderungen an ein zeitgemäßes Unterhaltsrecht gerecht zu werden. Wie ein solches aussehen könnte, haben wir im Rahmen des Bündnisses doppelresidenz.org dargestellt. Dort haben wir nicht nur die gesellschaftlichen Entwicklungen berücksichtigt, sondern das Unterhaltsrecht umfassend, sowohl aus der Sicht von Müttern und Vätern gemeinsam betrachtet, denn nur so kann es zu Lösungen kommen, die beiden gerecht werden und Kinder gut versorgen. Einen solch umfassenden und inklusiven Ansatz lassen die Entwürfe des Ministeriums leider gänzlich vermissen.
Zu den vorgeschlagenen Änderungen:
Die Änderung des § 1612b (Deckung des Barbedarfs durch Kindergeld) halten wir für wenig sinnvoll und auch die durch die Rechtsprechung aufgebrachte Lösung der jeweils hälftig unterschiedlichen Anrechnung nach pauschal und einkommensabhängig ist in der Praxis nur bedingt tauglich und zu komplex, zumal nicht verständlich wäre, weshalb dies ausschließlich bei annähernd gleicher Betreuung des Kindes erfolgen solle. Aus unserer Sicht sollte das Kindergeld, wenn beide Elternteile Unterhaltsleistungen durch Betreuung und/oder Unterhaltszahlungen leisten, beiden Eltern, unabhängig vom Betreuungsanteil, hälftig zustehen.
Die Anpassung des § 1629 BGB ist durchaus als sinnvoll im bisherigen, längst überholten Unterhaltssystem zu betrachten. Weshalb dies allerdings nur bei bestehender gemeinsamer Sorge der Eltern möglich sein soll, erschließt sich nicht, denn schließlich handelt es sich hier nicht um einen sorgerechtlichen Anspruch eines Elternteils, sondern um einen Unterhaltsanspruch des Kindes, der durch einen Elternteil geltend gemacht wird. Der erste Halbsatz des neuen 3. Satzes des angedachten § 1629 (2) BGB sollte daher gestrichen werden, solange die grundlegende Reform des Unterhaltsrechts noch nicht vorliegt. In dieser sollte jeder betreuende Elternteil die Möglichkeit haben, Unterhaltsansprüche für das Kind geltend zu machen, sofern er hier aufgrund der Umstände eine Berechtigung erkennt. Ob diese berechtigt sind oder nicht, hat dann das Familiengericht zu entscheiden.
Auch die Anpassung des § 1687 BGB (Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntlebenden) mindert zumindest die Verwerfungen innerhalb des bisherigen familienrechtlichen Systems. Sie knüpft aber auch an die entsprechenden Fehler an, nämlich der völlig lebensfremden Annahme, dass die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens erst bei genau 50% Betreuung möglich sein soll. Diese starre Grenze ist der Quell für Streit, wie die gerichtliche Praxis leidvoll beweist.
Erst, wenn der Gesetzgeber die Eltern auf Augenhöhe miteinander bringt, wird er eine Deeskalation erreichen. Konkret auf den § 1687 BGB bezogen, würde dies z.B. bedeuten, dass beide Eltern zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens in der Zeit, in der sich das Kind bei ihnen aufhält, befugt sind.
Dies hätte auch Auswirkungen auf die geplanten Änderungen des § 1687b BGB. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass endlich auch Patchwork-, Stiefeltern- und weitere Familienkonstellationen, in denen Nicht-Elternteile für Kinder tatsächliche Verantwortung übernehmen, geregelt werden. Dies schließt auch lesbische und schwule Paare mit ein und genau an dieser Stelle, im § 1687b BGB, wäre die Stelle, an der auch deren „Kleines Sorgerecht“ geregelt werden muss – und nicht im Abstammungsrecht.
Weshalb dies allerdings an die Alleinsorge eines Elternteils geknüpft sein soll, erschließt sich nicht. Wenn also Partner von Elternteilen mit den Kindern zusammenleben, dann sollten diese auch das „kleine Sorgerecht“ in Angelegenheiten des täglichen Lebens im Einvernehmen mit dem Elternteil, mit dem sie zusammenleben, in der Zeit ausüben können, in der sich die Kinder im gemeinsamen Haushalt aufhalten. Dies wäre auch ein wichtiges, längst überfälliges Bekenntnis zur Verantwortungsübernahme sozialer Eltern für die Kinder.
Gesetzliche Verankerung des Ausbildungsunterhalts
Die vorgeschlagene Regelung fixiert lediglich die seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung. Die gesetzliche Fixierung begegnet keinen Bedenken, wird aber auch keine praktischen Auswirkungen haben.