Thesenpapier zur Neuregelung des Kindesunterhaltes, insbesondere bei erweitertem Umgang und beim Wechselmodell

Kinder benötigen neben elterlicher Zuwendung und Unterstützung auch finanzielle Mittel, um ihr Leben und ihre Entwicklung gestalten zu können. In intakten Familien werden diese Mittel gemeinsam von beiden Eltern aus dem gemeinsamen Haushaltseinkommen aufgebracht.

Nach einer Trennung der Eltern stellt sich die Frage, wie der Kindesunterhalt zukünftig geregelt werden soll. Der übliche Weg ist bisher, dass ein elterlicher Haushalt (in der Regel der Mutter) „Betreuungsleistungen“ aufbringt, während in der Regel der väterliche Haushalt für die Finanzierung der Kinder sorgt. Dies ist dem historischen Rollenverständnis geschuldet, dass die Kinderbetreuung Aufgabe der Frau, die finanzielle Versorgung Aufgabe des Mannes sei. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat diese Rollenverteilung vollkommen zu Recht als „ein völlig überholtes Familienmodell“ bezeichnet (Tagesspiegel vom 07.01.2015).

Dies ist jedoch weder gesellschaftlich gewollt, noch der Entwicklung der Kinder förderlich. Die gemeinsame Verantwortung beider Eltern, wie sie bereits in Art. 3 GG festgeschrieben ist, besteht auch nach einer Trennung der Eltern fort und sollte entsprechend ermöglicht und gefördert werden.

Moderne Eltern haben diese „klassische“ Rollenverteilung schon lange aufgebrochen und kümmern sich partnerschaftlich um Familien- und Erwerbsarbeit. Nach einer Trennung auf der Paarebene wollen Väter nicht in die Rolle des Allein-Ernährers gedrängt werden, sondern weiterhin die bisher praktizierte gemeinsame Betreuungs- und Erziehungsverantwortung für ihre Kinder, „auf Augenhöhe“ mit der Mutter, wahrnehmen. In der modernen Nachtrennungsfamilie sollte es keine „Allein-Erziehenden“ mehr geben.

Das deutsche Unterhaltsrecht kann diesen bereits vollzogenen gesellschaftlichen Wandel bisher nicht abbilden, und auch die Rechtsprechung, welche hier korrigierend hätte eingreifen müssen, hat es bisher leider versäumt, gerechte Lösungen für Eltern und Kinder zu erwirken. Noch immer wird im Unterhaltsrecht davon ausgegangen, dass die Kinder ihren „Lebensmittelpunkt“ bei einem, dem betreuenden Elternteil haben, während der „Umgangselternteil“ sich um seine Kinder lediglich im Rahmen einer Besuchsregelung am Rande des Alltags, alle 14 Tage am Wochenende, an Feiertagen und in den Ferien, kümmern kann und will.

Das gesellschaftlich gewünschte und für eine gesunde Entwicklung der Kinder erforderliche Engagement beider Eltern auch nach Trennung und Scheidung, z.B. im Rahmen von erweitertem Umgang oder einer Betreuung im Wechselmodell, wird, sofern sich die Eltern nicht einvernehmlich einigen, durch Gesetzgeber und Gerichte weitgehend nicht ermöglicht.

Dies führt zu einer deutlichen Benachteiligung der engagierten Väter, welche man - wie im Koalitionsvertrag 2013 vereinbart - eigentlich fördern möchte.

Die aktuelle Gesetzeslage bedingt, dass es für einen Umgangselternteil finanziell die günstigste Variante wäre, sich gar nicht um seine Kinder zu kümmern.

Ein modernes Unterhaltsrecht, wie es beispielsweise in Belgien und anderen europäischen Nachbarländern schon seit langem gibt, welches den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigt und die gemeinsame Verantwortung der Eltern für ihre Kinder fördert, sollte daher folgende Punkte berücksichtigen:
 

Berücksichtigung der Einkommen beider Eltern bei der Bedarfsermittlung der Kinder bei erweitertem Umgang

Außer bei einer exakt hälftigen Teilung der Betreuungszeiten (50:50) wird der Unterhaltsbedarf der Kinder bisher einzig und allein am Einkommen des umgangsberechtigten Elternteils bemessen, welcher zudem einer erhöhten Erwerbsobliegenheit unterliegt, um den Barunterhalt für die Kinder aufzubringen.

Das Einkommen des betreuenden Elternteils wird in Bezug auf den Kindesunterhalt bei Betreuung des Kindes nicht herangezogen, er unterliegt auch keiner Erwerbsobliegenheit. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass der betreuende Elternteil seine Verpflichtung, zum Unterhalt der Kinder beizutragen, bereits durch die Pflege und Erziehung des Kindes erbringt.

Wir sehen hier einerseits einen Verstoß gegen den Art. 3 GG, da allein den umgangsberechtigten Elternteil eine gesetzliche gesteigerte Erwerbsobliegenheit in Bezug auf den Kindesunterhalt und damit eine alleinige Verantwortung für den Barunterhalt der Kinder trifft.

Dies ist umso unverständlicher, als mit der Unterhaltsrechtsreform 2008 und der Neuregelung des §1569 BGB auf der Ebene des Ehegattenunterhalts der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der Ehegatten nach der Scheidung ausdrücklich hervorgehoben und somit dem gesellschaftlich veränderten Rollenbild Rechnung getragen wurde. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb dieser Grundsatz bei der Ermittlung des Kindesunterhaltes nun nicht gelten soll.

Andererseits darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass „Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ (Art. 6 II GG) ist. Die Annahme der Unterhaltserbringung durch Betreuungsleistungen des §1606 III 2 BGB nur zugunsten des betreuenden Elternteils wird dem auch verfassungsgemäß zu berücksichtigenden gesellschaftlichen Wandel, in dem sich beide Eltern gleichberechtigt in die Betreuung ihrer Kinder einbringen möchten, nicht mehr gerecht. Bereits der Art. 3 II GG fordert, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und der Staat auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken hat – weit überwiegend werden Väter in die Rolle des Zahlvaters gedrängt.

Die Lösung dieses Problems ist im BGB bereits mit den Regelungen des §1606 III 1 BGB implementiert, welcher bisher zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs volljähriger Kinder angewandt wird. Es bedarf somit seitens des Gesetzgebers im Wesentlichen nur der Streichung des zweiten Satzes des §1606 III.

Soweit in der Rechtsprechung im Rahmen der erhöhten Erwerbsobliegenheit für den Kindesunterhalt teilweise gefordert wurde, dass der umgangsberechtigte Elternteil auch Job-Angebote deutschlandweit, also unter Umständen heimatfern annehmen muss, um den Unterhalt der Kinder sicher zu stellen, so ist dies schon allein aus dem Grund abzulehnen, dass er dadurch sein Recht und seine Pflicht auf Pflege und Erziehung der Kinder (Art. 6 (2) GG) nicht mehr wirkungsvoll wahrnehmen kann. Er wird somit auch in seinem Recht auf Achtung des Familienlebens (Art 8 EMRK) unangemessen beschränkt.

Bei einer Neuregelung des Kindesunterhaltes, welches das Einkommen beider Eltern berücksichtigt und auch beiden eine angemessene Erwerbstätigkeit auferlegt, sollte berücksichtigt werden, dass der räumliche Geltungsbereich einer angemessenen Erwerbstätigkeit dort seine Grenze findet, wo eine effektive und umfängliche Beteiligung des Elternteils an der Pflege und Erziehung der Kinder beeinträchtigt werden würde.

Der Erhalt der Eltern-Kind-Bindung muss hier in jedem Fall Vorrang vor anderweitigen Erwägungen haben. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass der Umgang mit beiden Eltern auch das verbriefte Recht der Kinder selbst ist (Art 18 UN-KRK) und eine staatlich verordnete Einschränkung des Umgangs aufgrund eines auferlegten Wohnortwechsels zur Berufsausübung hierzu im klaren Widerspruch steht.

(Auszug aus dem Koalitionsvertrag 2013:

„Kinderrechte: Der Schutz von Kindern vor Gewalt, Vernachlässigung und die Weiterentwicklung der Wahrnehmung der Rechte von Kindern (Umsetzung UN-Kinderrechtskonvention) ist ein zentrales Anliegen dieser Koalition. Wir werden jede politische Maßnahme und jedes Gesetz daraufhin überprüfen, ob sie mit den international vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen.“)
 

Berücksichtigung des Betreuungsanteils bei der Aufteilung des Barunterhaltsanspruchs

Wie eingangs erwähnt, wird ein hoher Betreuungsanteil des umgangsberechtigten Elternteils bei der Bemessung des Barunterhaltsanspruchs nicht angemessen berücksichtigt. Die Rechtsprechung erkennt hier unter Umständen lediglich die Herabstufung um eine Gruppe in der Düsseldorfer Tabelle an (BGH 234/13). Im konkreten Fall machte dies grade einmal 18 EUR weniger Unterhalt aus, obwohl der Vater seine Kinder zu über 40% der Zeit betreute.

Diese Spruchpraxis kann dazu führen, dass der Umgangselternteil trotz annähernd gleichem Betreuungsanteil bei gleichem Einkommen wie der betreuende Elternteil erheblich weniger Geld in seinem Haushalt für die Kinder und für sich zur Verfügung hat, was sich dann auch negativ auf die Versorgung der Kinder auswirkt.

Diese Rechtspraxis führt dazu, dass vielfach auch einvernehmliche Umgangsregelungen durchgesetzt werden, welche einen minimal höheren Betreuungsanteil beim betreuenden Elternteil vorsehen, um diesem den vollen Kindesunterhaltsanspruch zu sichern.

Der Umgangselternteil muss sich sein Mitbetreuungsrecht durch hohe Unterhaltsleistungen erkaufen. Einer gleichberechtigten Betreuung der Kinder im Sinne eines symmetrischen Wechselmodells (50:50) wird in diesen Fällen von den betreuenden Elternteilen kategorisch widersprochen, was angesichts der umfangreichen Betreuung durch die Umgangselternteile nicht mit dem Kindeswohl begründet werden kann.

Begünstigt wird dies durch die Spruchpraxis vieler Gerichte, welche unverständlicher Weise davon ausgehen, dass ein symmetrisches Wechselmodell die Anordnungsbefugnis der Gerichte überschreiten würde. Der §1684 BGB gibt für diese Auffassung eben so wenig einen Anhaltspunkt wie der §1671 BGB. Hierzu wird verwiesen auf die ausführlichen Darstellungen von Sünderhauf/Rixe „Rechtssystematische Verortung und verfassungsrechtliche Bezüge der gerichtlichen Anordnung des paritätischen Wechselmodells“ in FamRB 2014 418-425 und 469-474.

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme Nr. 354/14 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Elterngeld Plus klargestellt, dass eine familienpolitische Maßnahme keine Anreize setzen dürfe, ein gemeinsames Sorgerecht aufzulösen. Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat es gleichfalls missbilligen würde, wenn finanzielle Anreize einen Elternteil dazu motivieren könnten, zu Lasten der beteiligten Kinder die Beteiligung des anderen Elternteils an der Betreuung der Kinder einschränken zu wollen.

Der BGH hat bereits in seinem Beschluss XII ZR 20/09 (FamRZ 2010,1883 RZ 28) zum Betreuungsunterhalt entschieden, dass bei der Bemessung des Unterhaltsanspruches eines Elternteils die Betreuungsmöglichkeit der Kinder durch den anderen Elternteil grundsätzlich bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen ist.

Zur Verwirklichung des Kindeswohls sowie aus Gründen der Gleichberechtigung und in Konkordanz der Grundrechte beider Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder muss der Grundsatz gelten, dass bei der Bemessung des Unterhaltes grundsätzlich zu berücksichtigen ist, wie sich ein Elternteil auch an der Betreuung seiner Kinder beteiligen will und kann.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass beide Eltern die gleichen verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten haben und keiner von Beiden ein geschlechts- oder sonst wie geartetes Vorrecht an der Betreuung der Kinder hat, muss daher auch im Rahmen der Ermittlung des Kindesunterhaltes die Betreuungsmöglichkeit beider Elternteile berücksichtigt werden.

Im Falle der Erziehungsunfähigkeit eines Elternteiles müsste dies natürlich berücksichtigt werden. Eine Betreuung der Kinder darf nicht dem Kindeswohl widersprechen.

Eine praktische Regelung des Kindesunterhaltes auf der Basis der Betreuungszeiten könnte durch das folgende, von Prof. Dr. jur. Hildegund Sünderhauf vorgeschlagene Stufenmodell erreicht werden:

  • bis 10% oder gar keiner Betreuung
  • 10% - 30% regelmäßiger Mitbetreuung im Residenzmodell
  • 30% - 50% bei ausgedehnter Betreuung auch im Alltag bis hin zum Paritätischen Doppelresidenzmodell

Neben der rein unterhaltsrechtlichen Wirkung hätte die vorgeschlagene Regelung auch den gesellschaftspolitisch gewollten Effekt, dass sich mehr Väter in die Betreuung der Kinder einbringen könnten und den Müttern mehr Freiraum für die eigene Erwerbstätigkeit verschafft werden würde. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die nach einer Trennung besondere Bedeutung gewinnt, würde auf diese Weise deutlich vereinfacht und beiden Eltern ein gleiches Maß an Verantwortung und Freiraum bieten.

Es ist ebenfalls anzunehmen, dass eine substanzielle Anzahl an Umgangsverfahren (zur Zeit 56.000 pro Jahr) entfallen würde, wenn keine unterhaltsrechtliche Motivation mehr bestehen würde, einen Elternteil auf einen geringeren Betreuungsanteil herab zu drängen. Exemplarisch seien hier die skandinavischen Länder erwähnt, die teilweise keine dem deutschen Recht entsprechenden Unterhaltsregelungen haben – dort ist der Anteil der im Wechselmodell betreuten Kinder mit am Höchsten, ebenso wie die Zufriedenheit der Kinder und der Eltern mit dieser Betreuungsform.
 

Grundbedarf der Kinder steht den Kindern bei jedem Elternteil zu, der im Rahmen seiner elterlichen Verantwortung den Umgang kindgerecht ausüben kann und will

Soweit ein Elternteil nicht nur gelegentlich in die Betreuung der Kinder eingebunden ist, sondern einen substantiellen Anteil übernimmt (z.B. mind. 30%), so muss er in die Lage versetzt werden, auch in seiner Wohnung kindgerechte Rahmenbedingungen zu schaffen, z.B. durch kindgerechten Wohnraum und kindgerechte Ausstattung.

Die bisherige Ausgestaltung des Unterhaltsrechts sieht dies nicht vor. Mit Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 stellte der BGH noch einmal heraus, dass der Wohnbedarf der Kinder in den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle lediglich beim betreuenden Elternteil Berücksichtigung finde (auch BGH XII ZB 234/13).

„Insbesondere die Kosten für das Bereithalten von Wohnraum zur Übernachtung von Kindern bleiben bei einem im üblichen Rahmen ausgeübten Umgangsrecht unterhaltsrechtlich in der Regel schon deshalb unbeachtlich, weil es typischerweise angemessen und ausreichend ist, die Kinder in den Räumlichkeiten mit unterzubringen, die dem individuellen Wohnraumbedarf des Unterhaltspflichtigen entsprechen“.

Während die Kinder beim betreuenden Elternteil also unterhaltsrechtlich anerkannt und kindgerecht ausreichenden Wohnraum zur Verfügung gestellt bekommen, muss sich der umgangsberechtigte Elternteil unterhaltsrechtlich auf eine 1-Zimmer-Wohnung im Rahmen seines Selbstbehaltes verweisen lassen. In der kindgerechten Ausübung des Grundrechtes auf Pflege und Erziehung ist der umgangsberechtigte Elternteil somit gegenüber dem betreuenden Elternteil unangemessen benachteiligt. Eine Gleichberechtigung der Eltern, wie sie Art 3 GG vorsieht, ist auch hier nicht gegeben.

Im klaren Gegensatz zur Rechtsprechung des BGH wird im Sozialleistungsrecht ein erhöhter Wohnbedarf für die Ausübung des Umgangsrechtes bereits anerkannt (z.B. SG Kiel S 38 AS 88/14 ER u.a.). Aus der Begründung heißt es unter anderem: „Im Hinblick auf die grundrechtliche Bedeutung des Schutzes der Familie, auch im Hinblick auf nichteheliche Kinder, vgl. Art. 6 Abs. 5 GG, hält die Kammer jedoch sowohl im Hinblick auf das bestehende Sorgerecht des Antragstellers als auch im Hinblick auf das Umgangsrecht eine Erhöhung der Wohnflächengrenzen für geboten. Dies folgt aus der Überlegung, dass bei einer besonderen Schutz- und Förderpflicht des Staates grundsicherungsrechtlich sichergestellt sein muss, dass die grundrechtlich geschützten und zu fördernden regelmäßigen und längeren Aufenthalte von Kindern bei einem sorge- und/oder umgangsberechtigten Elternteil stattfinden können und daher auch ein entsprechender Wohn- und Lebensraum zur Verfügung stehen muss. Dies entspricht letztlich auch dem Willen des Gesetzgebers, was sich im Hinblick auf die Vorschrift des § 22b Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB II zeigt, wonach kommunale Satzungen zur Bestimmung der Angemessenheit der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Maßgabe des § 22a SGB II einen erhöhten Raumbedarf wegen der Ausübung eines Umgangsrechts zu berücksichtigen haben. (…)“. Zudem erhalten Elternteile in HARTZ IV-Bezug auch das Sozialgeld für den Umgang mit den Kindern für die Tage, an denen sie den Umgang pflegen.

Es ist unter Berücksichtigung des für alle Eltern geltenden Art. 6 GG nicht nachvollziehbar, weshalb ein erwerbstätiger, nicht auf Sozialleistungen angewiesener Elternteil in Bezug auf die Wahrnehmung seines Umgangsrechtes und seiner Pflicht zur Pflege und Erziehung seiner Kinder schlechter gestellt wird als ein Elternteil, der Sozialleistungen bezieht.

Ein verfassungsrechtlich gebotener Status „getrennt erziehend“ nach Trennung und Scheidung ist in den übrigen gesetzlichen Konstellationen bisher nicht vorgesehen, es gibt nur den Status „alleinerziehend“ für den Elternteil, bei dem das Kind gemeldet ist und „alleinstehend“ für den anderen Elternteil, welcher de facto rechtlich nahezu so behandelt wird, als ob er gar keine Kinder hätte (Steuerklasse etc.). Dies bedarf nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht einer dringenden Korrektur.

Jeder Elternteil, der seiner ihm obliegenden Pflicht zur Erziehung der Kinder nachkommt, muss auch Anspruch auf die unterhaltsrechtliche Anerkennung eines entsprechenden Grundbedarfes der Kinder in seinem Haushalt haben.
 

Verantwortlichkeit und Anrechenbarkeit für umgangsbedingte Mehrkosten

Nach einer Trennung der Eltern ist es in den meisten Fällen unvermeidlich, dass die Eltern umziehen und dass die Kinder den Alltag mit ihren Eltern an zwei verschiedenen Wohnorten verbringen. Es obliegt der Verantwortung der Eltern, für die Kinder das gewohnte soziale Umfeld so weit wie möglich zu erhalten, um den Anpassungsbedarf der Kinder so gering wie möglich zu halten und neben der Belastung durch die Trennung der Eltern nicht noch unnötig zusätzliche Veränderungen zu erzeugen, welche die Kinder belasten.

Bei einer weiterhin bestehenden räumlichen Nähe der Eltern wird zudem sichergestellt, dass die aus entwicklungspsychologischer Sicht wichtige Eltern-Kind-Bindung auch nach der Trennung aufrecht erhalten und einer Entfremdung vorgebeugt werden kann.

Umgangsbedingte Mehrkosten fallen vor allem dann an, wenn zwischen den Wohnorten der Eltern größere Entfernungen liegen. Bisher werden diese umgangsbedingten Mehrkosten in der Regel dem umgangsberechtigten Elternteil auferlegt.

Dies führt beispielsweise dazu, dass der betreuende Elternteil nach einer Trennung der Eltern einen weit entfernten neuen Wohnort wählt und der Umgangselternteil, welcher durch die so erzeugte Distanz bereits an der Ausübung eines umfangreichen Umgangsrechtes gehindert ist, auch noch die Mehrkosten für die Wahrnehmung des Umganges zu tragen hat und ggf. durch erhöhte Fahrzeiten nicht nur in seiner Umgangszeit, sondern auch in der Möglichkeit seiner Erwerbstätigkeit eingeschränkt wird.

Bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen kann dies dazu führen, dass Umgangselternteile aus rein finanziellen Gründen daran gehindert sind, den Umgang mit ihren Kindern wahrzunehmen bzw. den Umgang kindgerecht gestalten zu können, da die Kosten für Unterhalt und umgangsbedingte Mehrkosten für sie nicht mehr tragbar werden.

Eine Entfremdung zwischen Umgangselternteil und Kind wird aufgrund unterhaltsrechtlicher Regelungen provoziert, die Umgangseltern dazu nötigen, den Kontakt abzubrechen.

Der Umgangselternteil wird damit faktisch durch den Wegzug des betreuenden Elternteils und der Kinder mit höherem Unterhalt (da ein umfangreiches Umgangsrecht über große Entfernungen i.d.R. nicht wahrgenommen werden kann, speziell bei schulpflichtigen Kindern), höheren Umgangskosten und weniger Kontakt zu seinen Kindern sowie mit der Gefahr einer Entfremdung belastet.

Der betreuende Elternteil profitiert dem gegenüber nicht nur vom höheren Unterhalt für die Kinder, sondern auch durch den Status der Alleinerziehenden und die entsprechenden staatlichen Leistungen. Durch die bestehenden Regelungen werden somit finanzielle Anreize gesetzt, die mit dem Kindeswohl nicht begründbar und vereinbar sind. Dies gilt umso mehr, wenn die Beziehung des Umgangselternteils zum Kind beim betreuenden Elternteil nicht den hohen Stellenwert einnimmt, den die Verfassung eigentlich fordert. Es handelt sich hierbei leider nicht um Einzelfälle oder theoretische Konstrukte, sondern um regelmäßig zu beobachtende Verhaltensweisen, besonders in strittigen Fällen.

In einigen amerikanischen Bundesstaaten ist dieses Problem kindeswohlorientiert gelöst. Der Elternteil, der beispielsweise mehr als 50 Meilen vom bisherigen Wohnort umziehen möchte, kann dies tun. Die Kinder verbleiben aber, wenn sich die Eltern nicht einigen können, in ihrer gewohnten Umgebung, notfalls unter Inkaufnahme eines Obhutswechsels zum anderen Elternteil, sofern dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Dies wäre eine begrüßenswerte Option auch für das deutsche Kindschaftsrecht und würde die Wichtigkeit des Erhalts der Eltern-Kind-Bindung nachhaltig betonen.

Im Unterhaltsrecht sollte im Falle des Umzuges eines Elternteils weg vom bisherigen Lebensmittelpunkt der Familie das Verursacherprinzip gelten: wer umzieht, hat die entsprechenden Mehrkosten für die Wahrnehmung des kindgerechten Umganges zu tragen.

Dies stellt keine Einschränkung des Rechtes auf Freizügigkeit (Art 11 GG) der Elternteile dar, da die Eltern weiterhin die Möglichkeit haben, ihren Wohnort frei zu wählen. Es muss aber einerseits unter Kindeswohlgesichtspunkten beachtet werden, dass eine substanzielle Kontakteinschränkung durch Wohnortwechsel dem Kindeswohl grundsätzlich nicht dienlich ist. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass das Elternrecht stets dort seine Grenze hat, wo die Grundrechte der Kinder, wozu auch der Umgang mit beiden Eltern gehört, beeinträchtigt werden.

Daher besteht auf gesetzgeberischer Ebene Regelungsbedarf insofern, als im Falle der Uneinigkeit der Eltern vor jedem Umzug eines Elternteils, der einen Radius von z.B. 20 km zum anderen Elternteil überschreitet, geklärt werden muss, wie auch nach dem Umzug weiterhin der umfangreiche Kontakt der Kinder zu beiden Eltern aufrechterhalten und finanziert werden soll und ob der wegziehende Elternteil hierzu überhaupt leistungsfähig ist. Die umgangsbedingten Mehrkosten würden somit zu einem Bestandteil des Kindesunterhaltes werden.

Kann durch einen Umzug eines Elternteils der bisher ausgeübte umfangreiche Umgang der Kinder mit beiden Eltern nicht sichergestellt werden, sollte der Umzug aus Gründen des Kindeswohls untersagt werden.
 

Vereinfachte Abänderungsentscheidungen von Unterhaltstiteln

Wir leben in einer dynamischen Arbeitswelt, in der sich immer wieder Veränderungen im Einkommen ergeben können. Schon allein hieraus entsteht die Notwendigkeit der Anpassung von Unterhaltstiteln.

Mit Einführung des FamFG besteht für Unterhaltsklagen Anwaltszwang. Mag dies für die erstmalige Ermittlung des Unterhalts und der damit im Zusammenhang stehenden Umstände noch nachvollziehbar sein, so ist diese Pflicht im Abänderungsverfahren zu hinterfragen, da die grundlegenden Rahmenbedingungen bereits gerichtlich festgestellt wurden.

Grade bei beengten finanziellen Verhältnissen besteht eine große Notwendigkeit, einen Unterhaltstitel anpassen lassen zu können. Hier können auch 40 oder 50 EUR weniger Belastung im Monat bedingt durch ein reduziertes Einkommen (oder einen veränderten Betreuungszeitanteil) existenzielle Bedeutung haben. Faktisch ist der Weg zu diesen notwendigen Anpassungen jedoch häufig verschlossen, da dies oftmals mit einem Kostenaufwand bzw. Kostenrisiko von mehreren tausend Euro (zwei Anwälte, Gerichtsgebühren) verbunden ist, den die Betroffenen nicht leisten können und der in keinem angemessenen Verhältnis zu Einkommen und Ersparnis steht. Der Verweis auf Verfahrenskostenhilfe ist hier ebenso wenig hilfreich, da diese im ersten Schritt die öffentlichen Kassen und im zweiten Schritt – zeitlich versetzt - doch wieder die Eltern belastet.

Es sollte daher der Weg eröffnet werden für ein vereinfachtes unterhaltsrechtliches Abänderungsverfahren ohne Anwaltszwang, welches es den beteiligten Eltern in wirtschaftlich vertretbarer Weise ermöglicht, die Unterhaltsbelastung ihren tatsächlichen Einkommensverhältnissen anzupassen, sofern sich diese unverschuldet, nachhaltig und im Einklang mit der Erwerbsobliegenheit jedes Elternteils ergeben hat.