Verfassungsrechtliche Bedenken: Gemeinsamer Wohnsitz unverheirateter Eltern
»Ein nicht mit der Mutter verheirateter Vater soll künftig in den Fällen, in denen die Eltern einen gemeinsamen Wohnsitz haben, das gemeinsame Sorgerecht erlangen können, indem der Vater eine einseitige, beurkundete Erklärung abgibt.« (Seite 9)
Wir geben zu bedenken, dass wir keine ausschließlich vom Kindeswohl getragenen Gründe erkennen können, welche eine Ungleichbehandlung unverheirateter Eltern in Abhängigkeit eines gemeinsamen oder getrennten Wohnsitzes rechtfertigen.
Diese Unterscheidung lässt völlig unberücksichtigt, dass es viele praktische Gründe für getrennte Wohnsitze geben kann.
Hierzu zählen beispielsweise berufliche Verpflichtungen, die noch laufende Suche nach einer geeigneten gemeinsamen Wohnung oder auch die heutzutage nicht unüblichen Fernbeziehungen. Dank moderner Kommunikationsmittel lassen sich Distanzen leicht überbrücken und allein die Tatsache eines gemeinsamen Wohnsitzes spricht weder für noch gegen eine tragfähige Beziehung oder ein Mindestmaß an Übereinstimmung.
Vor diesem Hintergrund bestehen aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität dieser Unterscheidung. Dies, zumal sich Eltern ja auch wieder trennen können und häufig auch werden. Dass mit der Aufhebung der gemeinsamen Wohnung die Mutter dann automatisch die Alleinsorge zurückerhielte, sieht der Koalitionsvertrag ja auch nicht vor. Zudem wäre dieser Gegenschluss ein unzulässiger Eingriff in die väterlichen Elternrechte.
Wie die faktische Vorverlagerung der Widerspruchslösung in der Praxis funktionieren und nicht die gleichen konfliktinduzierenden Fehlanreize wie bisher herbeiführen soll, erschließt sich uns noch nicht. Aus unserer Beratungstätigkeit sind uns zahlreiche Fälle bekannt, bei denen es nur wegen dem Antrag des Vaters auf gerichtliche Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge zum Streit und zur Trennung kam. Daher müssen sich Väter oft entscheiden, ob sie zu Gunsten einer harmonischen Paarbeziehung nicht lieber auf einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge verzichten sollten. Zudem sei bemerkt, dass sich unverheiratete Eltern mit einem gemeinsamen Wohnsitz i.d.R. auch einen gemeinsamen Briefkasten teilen.
Hinweis: Umgangspflegschaft nicht mit Umgangsbestimmungspflegschaft mischen
»Zur frühzeitigen Vermeidung von Hochkonfliktfällen soll das Familiengericht eine Umgangspflegschaft künftig auch dann anordnen können, wenn die Eltern dies übereinstimmend wollen.« (Seite 10)
Das begrüßen wir ausdrücklich. Bei hochstrittigen Trennungen macht eine geordnete Abgrenzung zur Konfliktregulierung Sinn. Das bedeutet: „Ich lasse dich Vater sein – du lässt mich Mutter sein. Da unsere Begegnungen immer wieder belastend und mit Auseinandersetzungen verbunden sind, gehen wir uns erst einmal aus den Füßen und suchen einen vernünftigen Weg, wie wir die im Interesse der Kinder notwendigen Absprachen treffen können – im Bedarfsfall mit Hilfe eines Dritten.“ (LAG für EFB Brandenburg, TRI∆LOG 19/2018, 17)
Eine Umgangspflegschaft i.S.d. § 1684 III 3-6 BGB ist das geeignete Instrument, damit eine gerichtlich angeordnete oder gebilligte Umgangsregelung eingehalten wird. Auch ermöglicht diese mittelbare Kindesübergaben, damit sich die Trennungseltern erstmal aus dem Weg gehen. Keinesfalls ist der Umgangspfleger befugt, den Umgang selbst zu bestimmen oder zu regeln, diese Aufgabe kann ihm auch nicht durch das Gericht übertragen werden. (Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1684, Rn. 127c)
Das auf Seite 10 angeführte Beispiel 4 ist daher irreführend und legt die Verwechslung mit der Umgangsbestimmungspflegschaft i.S.d. § 1666 BGB nahe.
Dazu möchten wir noch einen Praxishinweis geben: Für diesen Ergänzungspfleger kann die oftmals vorteilhafte Flexibilität, den Umgang selbst bestimmen zu können, auch zum Problem werden. Im Wissen seiner Gestaltungsfreiheit könnte ein Elternteil, oder beide, versuchen, ihn zu manipulieren. Zudem bräuchte er zur zwangsweisen Durchsetzung ohnehin eine vollstreckungsfähige gerichtliche Regelung. Daher kann es in der Praxis sinnvoller sein, den Umgang gleich zweifelsfrei und konkret zu regeln.
Damit sinken auch die Belastung und das Anforderungsprofil eines Umgangspflegers.
In vielen Fällen mag es erst recht konfliktinduzierend sein, wenn parallel zum Umgang auch noch der Elternkonflikt durch die gleiche Person gelöst werden soll.
Verfahrenstaktische Fehlanreize: Keine gemeinsame Sorge bei Partnerschaftsgewalt
»Ein gemeinsames Sorgerecht soll nicht nur bei Gewalt gegenüber dem Kind, sondern auch bei Partnerschaftsgewalt regelmäßig nicht in Betracht kommen.« (Seite 11)
Durch Strafgerichte rechtskräftig festgestellte Gewalt gegen den anderen Elternteil widerspricht in der Regel der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Die reine Behauptung von Partnerschaftsgewalt ohne ausreichende Ermittlungen, sollte jedoch nicht automatisch dazu führen, die gemeinsame Sorge zu verwehren.
Andernfalls befürchten wir konfliktinduzierende Fehlanreize Partnerschaftsgewalt aus verfahrenstaktischen Gründen zu behaupten oder durch provokantes Verhalten selbst herbeizuführen. Die Familiengerichte besitzen zwar eine Amtsermittlungspflicht, aber haben längst nicht die Ermittlungsmöglichkeiten wie Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgericht. Daher würde es mehr Rechtssicherheit bieten, nur auf Verurteilungen als absolutes Ausschlusskriterium abzustellen.
Gleichzeitig sehen wir schon heute den Bedarf, dass Familiengerichte Falschvorwürfe als erhebliches Kriterium in sorgerechtliche Entscheidungen einfließen lassen.
Schlussbemerkungen
Die systematische Neufassung des Kindschaftsrechts sehen wir als große Chance und diese wäre ein Gewinn für Kinder und Trennungsfamilien.
Wir begrüßen insbesondere, dass ein eigenes Recht des Kindes auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern geschaffen sowie eine Betreuung im Wechselmodell ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben werden sollen.
Zu den Eckpunkten für eine Reform des Abstammungsrechts möchten wir schon jetzt bemerken, dass darauf zu achten sein wird, die leiblichen Väter nicht auszubooten.
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Über den Verband
Der Väteraufbruch für Kinder e.V. (VAfK) ist der mitgliederstärkste, bundesweit vertretene Interessenverband für von Kindern getrennt lebende Eltern und Väteremanzipation. Er vertritt 4.000 Mitglieder in rund 100 lokalen Gesprächskreisen, Kontaktstellen und Kreisvereinen, darunter etwa 10 % Frauen.
Warum das wichtig ist
Die Menschen im VAfK verbindet, dass ihnen, ihren Kindern oder ihren Liebsten Schlimmes widerfahren ist oder widerfährt oder sie andere davor bewahren wollen. Sie stehen stellvertretend für die schätzungsweise 200.000 jährlich neu Betroffenen [Annahme: 3 Betroffene (1 Kind, 2 Angehörige) je Kontaktabbruch, vgl. Baumann et al., ZKJ 2022, 245].
Ziel des seit dem Jahr 1988 aktiven VAfK ist es, das Aufwachsen von Kindern in ihren Familien durch ein verstärktes Engagement ihrer Väter und durch kooperative Elternschaft, insbesondere nach Trennung und Scheidung, nachhaltig zu verbessern.
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