Gemeinsames Sorgerecht ab Geburt!

Anlässlich des 9. Jahrestags der wohl umstrittensten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Sorgerecht initiiert der bundesweit vertretene Väteraufbruch für Kinder (VAfK) eine Internet-Befragung für alle unehelichen Väter. Die Aktion soll klären, welche Schwierigkeiten Väter ohne Trauschein auch heute noch haben, das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind zu erlangen. Erklärtes Ziel der größten Deutschen Vätervereinigung ist eine Sorgerechtsreform, die jedem Elternpaar ab Geburt ihres Kindes die gemeinsame Sorge einräumt, egal ob Mutter und Vater miteinander verheiratet sind oder nicht.

Vor dem Hintergrund einer immer noch ausstehenden Reform der elterlichen Sorge jährt sich eine umstrittene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum neunten Mal: das höchste deutsche Gericht hatte am 29 Januar 2003 als verfassungskonform entschieden, dass Väter nichtehelicher Kinder das gemeinsame elterliche Sorgerecht nur mit Zustimmung der Mutter bekommen konnten. Der Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber lautete: Sollte sich herausstellen, dass insbesondere bei zusammenlebenden unverheirateten Eltern „regelmäßig“ gemeinsame Sorgeerklärungen ausblieben, dann muss der Gesetzgeber die Sorgerechtsregelung nachzubessern.

Mehrere in den Folgejahren erstellten statistische Erhebungen – u.a. dabei auch eine Studie des ‚Väteraufbruch für Kinder’ (VAfK) – belegten dann, dass etwa jedes 2. Elternpaar ohne Trauschein die gemeinsame Sorge nicht erklärte. Der Gesetzgeber wurde jedoch nicht aktiv und ließ sich mit seinen eigenen Untersuchungen Zeit.

Schließlich entschied der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) am 3. Dezember 2009, dass die deutsche Sorgerechtsregelung nichteheliche Väter diskriminiere. Im Vergleich zu Vätern von ehelich geborenen Kindern würden sie ungleich behandelt und ihr Grundrecht auf ‚Achtung des Familienlebens’ würde dadurch verletzt. Daraufhin passte das Bundesverfassungsgericht am 21. Juli 2010 die deutsche Rechtsprechung an die Vorgaben des EGMR an. Es räumte nichtehelichen Vätern ein Klagerecht auf die elterliche Sorge ein und formulierte die Erwartung an die Politik, das Sorgerecht zu reformieren.

Seitdem sind 18 Monate vergangen. Noch immer ist völlig unklar, wann und vor allem wie eine Reform des Sorgerechts vom Bundestag verabschiedet werden soll. Die aktuelle Gesetzeslage führt bei ‚Paaren ohne Trauschein’ automatisch zum alleinigen Sorgerecht der Mutter. Ein gemeinsames Sorgerecht beider Eltern für ihr Kind ist nur möglich durch übereinstimmende Erklärungen. Willigt die Mutter jedoch nicht in die gemeinsame Sorge ein, so steht der Vater vor der Wahl, Klage zu erheben oder um des lieben Familienfriedens auf sein Sorgerecht zu verzichten.

„Die jetzige Rechtslage ist nicht länger hinnehmbar“, so der Bundesvorsitzende des VAfK Rainer Sonnenberger: „Der nichteheliche Vater muss in einem Rechtsstreit gegen die Mutter des gemeinsamen Kindes letztendlich darlegen, dass er zum Wohl des Kindes mit ebenderselben gut kooperieren kann. Das ist völlig absurd, spaltet die Familien und muss dringend reformiert werden.“ Der VAfK fordert deshalb, dass Mutter und Vater ab Geburt ihres Kindes die elterliche Sorge grundsätzlich gemeinsam ausüben. Mögliche Konflikte der Eltern sollen auf niederschwelliger Ebene gelöst werden. Dafür fordert der VAfK die Einführung eines Kooperationsmanagers.

Anlässlich des 9. Jahrestages der umstrittenen Entscheidung des BVerfG startet der Väteraufbruch für Kinder eine Internet-Befragung zum Sorgerecht unter der Adresse (www.umfage.vafk.de) und ruft alle nichtehelichen Väter in Deutschland auf, an dieser Befragung teilzunehmen.

Informationen:

  1. Gesetzeslage seit der Kindschaftsrechtsreform von 1998: BGB § 1626a, Abs. 2
  2. Entscheidung Bundesverfassungsgericht vom 29.1.2003
  3. Entscheidung Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom 03.12.2009: Feststellung, dass dt. Rechtsprechung nach (1) verstößt gegen Art.14 EMRK i.V.m.Art.8 EMRK (Achtung des Familienlebens) – siehe FamRZ 2010, 103 ff.
  4. Entscheidung BVerfG v. 21.07.2010 , 1 BvR 420/09 (BGBl. I S. 1173), zur Anpassung der Rechtslage in Deutschland an die das vorgenannte Urteil des EGMR