Viele der Vorschläge des Abstammungsrechts orientieren sich an den Paar-Konstellationen von lesbischen Paaren. Die Ehepartnerin der Geburtsmutter zum Zeitpunkt der Geburt nimmt ohne Frage die Rolle eines sozialen Elternteils ein, solange die Beziehung zur Geburtsmutter besteht (auch diese Beziehung kann enden). Es handelt sich hier um eine Patchwork-Konstellation ab Geburt. Die daraus entstehenden Rechtsfolgen sind im Kindschaftsrecht zu regeln und mit der Einräumung des kleinen Sorgerechts wurden hierzu zeitgleich durchaus praktikable Vorschläge unterbreitet.
Das Kind kann unter keinen Umständen von der Ehefrau der Geburtsmutter abstammen. Deren Status daher im Abstammungsrecht regeln zu wollen, ist sachlich falsch und unzutreffend.
Soweit in den Eckpunkten darauf hingewiesen wird, dass man die Schlechterstellung der Ehefrau der Geburtsmutter gegenüber dem Ehemann der Geburtsmutter beseitigen will, könnte man vermuten, dass dies von rechtlicher Unkenntnis der Herkunft der Regelung für den Ehemann beruht. Denn von diesem wird die biologische Abstammung des Kindes vermutet, ihm daraufhin die rechtliche Vaterschaft anerkannt und er übt die soziale Vaterschaft aus. Dies wurde auch durch den Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen ausführlich dargelegt:
„Die Zuordnungstatbestände des § 1592 BGB knüpfen an Kriterien an, die im Regelfall denjenigen Mann als rechtlichen Vater erfassen, von dem das Kind biologisch abstammt (BT-Drucks. 16/6561 S. 8; vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. September 2017 - XII ZB 660/14 - FamRZ 2017, 1855 Rn. 25 f.). Die Vaterschaft kraft Ehe beruht mithin darauf, dass diese rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung auch die tatsächliche Abstammung regel- mäßig abbildet (vgl. etwa BVerfG FamRZ 2003, 816, 818; BeckOGK/Balzer [Stand: 1. August 2018] BGB § 1592 Rn. 45; Britz StAZ 2016, 8, 12; Jauernig/Budzikiewicz BGB 17. Aufl. § 1592 Rn. 1; Kaiser FamRZ 2017, 1889, 1895 f.; Helms StAZ 2018, 33, 34).
Dass dies in der Lebenswirklichkeit im Einzelfall unzutreffend sein kann, was auch etwa die Bestimmung des § 1600 Abs. 5 BGB aufgreift (vgl. Binder/ Kiehnle NZFam 2017, 742, 743), beseitigt nicht die Richtigkeit der regelhaften Annahme. Diese der gesetzlichen Regelung zugrundeliegende Vermutung ist für die mit der Kindesmutter verheiratete Frau dagegen keinesfalls begründet (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1621, 1622; Britz StAZ 2016, 8, 12; Kemper NZFam 2017, 832, 833). Vielmehr ist diese - abgesehen vom nicht vergleichbaren Ausnahmefall des mit der Kindesmutter verheirateten Samen spendenden Mann-zu-Frau- Transsexuellen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 29. November 2017 - XII ZB 459/16 - FamRZ 2018, 290) - zwingend und damit abweichend von dem die Bestimmung des § 1592 Nr. 1 BGB tragenden Regelfall personenverschieden zum leiblichen Vater des Kindes.“
BGH XII ZB 231/18 vom 10.10.2018
Diese Annahme, die den Ehemann der Geburtsmutter zum abstammungsrechtlichen und recht- lichen Vater macht, kann auf die Ehefrau der Geburtsmutter unter keinen Umständen zutreffen, so dass hier keine Diskriminierung vorliegen kann. In den weiteren Eckpunkten des Abstammungsrechts wird auch in aller Deutlichkeit ausgeführt, dass die biologische Vaterschaft Ausgangspunkt für Vaterschaft und nicht beliebig ist. Auch aufgrund der Gewährung von Menschenrechten aus der EMRK hat der rechtliche, nicht biologische Vater zu weichen, wenn seine Vaterschaft erfolgreich angefochten wird, nachdem die biologische / genetische Vaterschaft festgestellt wurde. Die kognitive Dissonanz dieser gegensätzlichen Erklärungsmuster in einem Dokument ist bemerkenswert.
Da wir dem Bundesjustizministerium keine rechtliche Unkenntnis unterstellen, gehen wir davon aus, dass hier dem Druck von Lobbygruppen mit entsprechenden Partikularinteressen nach- gegeben wird.
Dies unter Inkaufnahme von weiteren Diskriminierungen
- biologischer Väter der Kinder eines lesbischen Paares, welche keine Möglichkeit hätten, die rechtliche Mit-Mutterschaft anzufechten, da es hier keinen Irrtum geben kann
- rechtlicher, aber nicht leiblicher Väter, deren Vaterschaft durch den biologischen Vater angefochten werden kann
- schwuler Paare, bei denen ebenfalls ein Partner leiblicher Elternteil des Kindes ist und bei denen der Ehemann nicht in die zweite Stelle der Abstammung des Kindes eintreten könnte.
Wir sehen in dem Vorstoß weiterhin Verstöße gegen die UN-Kinderrechtskonvention, insb. Art 18 (Verantwortung für das Kindeswohl) und Art. 8 (Identität), gehen davon aus, dass dem Bundes- justizministerium diese Verstöße bekannt sind und nehmen mit Erstaunen zur Kenntnis, dass bei einem Gesetzesvorhaben, welches massiv in die Lebensgestaltung von Kindern eingreift, nicht ein einziger Bezug zur UN-Kinderrechtskonvention zu finden ist.
Gleiches gilt für die beabsichtigte Einführung von Elternschaftsvereinbarungen. Das Sorgerecht ist, genau wie die zuvörderst obliegende Pflicht das natürliche Recht der Eltern (Art. 6 (2) GG). Auch im Grundgesetz weist das „natürliche“ Recht auf die biologische, natürliche Abstammung und Herkunft des Kindes hin. Diese mit den vorliegenden Vorschlägen einer beliebigen Zuordnung preisgeben zu wollen, sehen wir nicht nur als einen Verstoß gegen die UN-Kinder- rechtskonvention. Wir sehen solche Versuche auch mit dem Grundgesetz als unvereinbar an.
Die Versuche, eine Mit-Mutterschaft im Abstammungsrecht zu verorten, sind daher insgesamt als rechtlich unzulässig abzulehnen. Lesbischer als auch schwuler Elternschaft steht diese Ablehnung allerdings nicht im Wege. Diese wäre allerdings im Kindschaftsrecht zu regeln. Unter Wahrung der Rechte des Kindes auf seine beiden biologischen Eltern und nicht in Konkurrenz zu diesen.
Auch wenn dies den Interessen schwuler oder lesbischer Paare widerspricht, die den zweiten biologischen Elternteil aus dem Leben des Kindes ausschließen wollen – es geht hier nicht um Interessen oder Egoismen von Erwachsenen, sondern um die Rechte und das Wohlergehen von Kindern.
Insgesamt wäre der Gesetzgeber gut beraten, erstmals ein echtes Abstammungsrecht zu schaffen, was vor über 100 Jahren noch nicht möglich war. Heute lässt sich die tatsächliche Abstammung von Kindern zweifelsfrei bestimmen, mit Vermutungen und Annahmen braucht nicht mehr gearbeitet werden. Erklärungen zum Nichtbestehen der Elternschaft oder der Anfechtung ebendieser wären überflüssig.
Statt das Abstammungsrecht also immer komplexer zu gestalten und sich von der Abstammung von Kindern zu verabschieden, sollte die auch bisher schon dem Abstammungsrecht zugrunde liegende Ausgangsbasis der biologischen Abstammung den heutigen diagnostischen Möglichkeiten angepasst werden.
Jedes Kind hat eine Mutter. Jedes Kind hat einen Vater. Und darüber hinaus besteht die Möglich- keit, dass das Kind neben Großeltern und weiteren Familienangehörigen auch noch liebevolle, soziale und für das Kind ebenfalls wichtige Bezugspersonen haben kann, deren Rechtsbeziehung im Kindschaftsrecht verlässlicher geregelt werden sollten. Im Abstammungsrecht sind solche Regelungsversuche allerdings völlig fehl am Platze.
Der vorgelegte Entwurf ist ein Abstammungsrecht ohne Abstammung – zugunsten von Vermutungsgedanken und willkürlicher Zuordnung von Elternschaft.