75 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention - Kinder brauchen beide Eltern

Vor 75 Jahren wurde die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet – ein Meilenstein des Menschenrechtsschutzes. Deutschland bekennt sich dazu, doch im Familienrecht bestehen bis heute erhebliche Defizite. Der Väteraufbruch für Kinder e.V. (VAfK) fordert, die Menschenrechtsstandards der EMRK endlich auch im Umgangs- und Sorgerecht vollständig umzusetzen.

„Menschenrechte enden nicht an der Tür des Familiengerichts. Kinder haben ein Recht auf beide Eltern - und dieses Recht muss der Staat aktiv schützen“, erklärt der Bundesvorstand des VAfK.
 

Deutschland immer wieder verurteilt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Deutschland mehrfach wegen Verletzung von Artikel 8 EMRK (Achtung des Privat- und Familienlebens) verurteilt

  • Elsholz / Deutschland (2000, Nr. 25735/94): unzureichende Prüfung von Umgangsbeschränkungen
  • Sommerfeld / Deutschland (2003, Nr. 31871/96): fehlende Sachverhaltsaufklärung bei Umgangsentscheidungen
  • Zaunegger / Deutschland (2009, Nr. 22028/04): Benachteiligung unverheirateter Väter
  • Anayo / Deutschland (2010, Nr. 20578/07): Umgangsverweigerung ohne Prüfung des Kindeswohls
  • Aktuell: Sioud / Deutschland (24.10.2023, Nr. 48698/21) – Umgangsausschluss ohne erneute Kindesanhörung; der EGMR rügte die fehlende Tatsachengrundlage und verletzte Verfahrenspflichten.

Diese Urteile zeigen ein wiederkehrendes Muster: zu lange Verfahren, mangelnde Kindesanhörung, unzureichende Durchsetzung von Umgang, und ein System, das den Status quo statt Familienbindung schützt.
 

Recht auf Herkunft und Identität

Zum Schutzbereich des Artikels 8 gehört auch das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Herkunft. In Entscheidungen wie A and B / Frankreich (2023) oder Gauvin-Fournis / Frankreich (2023) betont der EGMR die Bedeutung der biografischen Identität. Artikel 7 betont zudem das Recht des Kindes, von seinen leiblichen Eltern betreut zu werden.

Auch in Deutschland besteht Reformbedarf - etwa beim Zugang zu Informationen aus Spender- oder Adoptionsregistern.
 

VAfK-Forderungen

  1. Beschleunigte familiengerichtliche Verfahren mit klaren Fristen und Anhörung des Kindes
  2. Konsequente Durchsetzung gerichtlicher Umgangs- und Sorgerechtsentscheidungen
  3. Gleichberechtigte Elternschaft als Leitbild für alle Verfahren
  4. Sanktionen bei Umgangsvereitelung und bessere Gutachterstandards
  5. Recht auf Kenntnis der Herkunft als Teil des Persönlichkeitsrechts in allen Rechtsbereichen

„Kinder brauchen beide Eltern - das ist kein Wunsch, sondern ein Menschenrecht“, so der VAfK.
 

Hintergrund

Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde am 4. November 1950 unterzeichnet und trat 1953 in Kraft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg überwacht ihre Einhaltung. Seine Urteile sind für alle Mitgliedstaaten verbindlich.
 

Quellen

  • EGMR, Sioud / Deutschland, Nr. 48698/21, Urteil vom 24.10.2023
  • EGMR, Elsholz / Deutschland, Nr. 25735/94, Urteil vom 13.07.2000
  • EGMR, Sommerfeld / Deutschland, Nr. 31871/96, Urteil vom 08.07.2003
  • EGMR, Zaunegger / Deutschland, Nr. 22028/04, Urteil vom 03.12.2009
  • EGMR, Anayo / Deutschland, Nr. 20578/07, Urteil vom 21.12.2010
  • EGMR, A and B / Frankreich, Nr. 46824/17, Urteil vom 10.01.2023
  • EGMR, Gauvin-Fournis u. Silliau / Frankreich, Nr. 21424/18 u. 45728/18, Urteil vom 07.09.2023