Der lösungsorientierte psychologische Sachverständige im Sorgerechts- und Umgangsverfahren

Für den 25.11.2011 hatte Herr Dr. Rüdiger Söhnen, Vorsitzender Richter a.D. am Oberlandesgericht Dresden und Mitglied im Verband Anwalt des Kindes e.V., zu einer von ihm organisierten Fachtagung zum Thema „Der lösungsorientierte psychologische Sachverständige im Sorgerechts- und Umgangsverfahren“ eingeladen.

Angesprochen waren mit diesem sehr aktuellen und interessanten Thema die mit Sorge- und Umgangsverfahren befassten Professionen, wie Richter, Rechtsanwälte, Jugendbeamte, Verfahrens- und Umgangsbeistände und nicht zuletzt die Gutachter bzw. Sachverständige selbst.

Herr Dr. Söhnen eröffnete die Fachtagung in seiner freundlichen und verbindlichen Art. Er zeigte sich sehr darüber erfreut, dass die Fachtagung auf ein so großes Interesse gestoßen ist. Der Festsaal des Oberlandesgerichts in Dresden bot kaum noch freie Plätze. Es waren alle Professionen vertreten, nicht nur aus Dresden.

Herr Dr. Söhnen stellte dann die Tagesordnung vor. So war die Fachtagung in 3 Blöcke aufgeteilt. Begonnen wurde mit den Referaten. Für den Nachmittag waren 6 Arbeitsgruppen geplant. Zum Abschluss der Fachtagung sollten die Ergebnisse der Arbeitsgruppen vorgestellt werden.

Frau Dipl.-Psych. Gisela Klein, Lehrbeauftragte der Uni Köln, referierte zuerst über die Möglichkeiten, den Polygraphentest in Familienrechtsverfahren zur Auflösung von Hochstrittigkeit bei Verdacht auf Missbrauch und/oder Gewalt zu nutzen. Sie konnte in ihrem Referat davon überzeugen, dass dieser Test sehr geeignet ist, Misstrauen zu entgegnen und eine hochstrittige Situation zu befrieden. Neben dem Vorteil von vergleichsweise geringem Kosten- und Zeitaufwand, erreicht man hier eine fast hundertprozentige Gewissheit. Dieser Test kann bei Gericht beantragt werden.

Herr Thomas Meyer-Deharde, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dresden stellte seine Arbeit als Sachverständiger vor. Neben den möglichen Abläufen seiner Gutachtertätigkeit, bei der er zu Beginn großen Wert auf die Würdigung und Wertschätzung des Einzelnen legt, erklärte er auch die für ihn wichtigen Punkte Konstruktivismus, Kybernetik 2. Ordnung und Zirkularität. Herr Meyer-Deharde legt großen Wert darauf, die Kinder möglichst nicht zu begutachten. Bei Notwendigkeit richtet er den Fokus auf die Interaktion zwischen Kind und Eltern.

Frau Dipl.-Psych. Ursula Kodjoe, Freiburg und Frau Lorenz, Malwina e.V., Dresden stellten anhand eines konkreten und schwierigen Falles dar, wie erfolgreich Vernetzung zwischen einzelnen Professionen sein kann. Hierbei ging es um die Wiederannäherung zweier getrennter Eltern nach 7 Jahren der Sprachlosigkeit durch begleiteten Austausch. Nachdem Frau Kodjoe es geschafft hat, dass die Eltern wenigstens, unterstützt, per email miteinander kommunizierten, übergab sie die weitere Begleitung an Malwina e.V. in Dresden. Hier schaffte es Frau Lorenz, die beiden Eltern wieder in ein persönliches Gespräch zu bringen.

Herr Dipl.-Psych. Burkhart Sauer, Dresden erklärte an Hand von gut verständlichen Bildern seine Grundannahmen und seinen Arbeitsansatz. Wesentlich für ihn sind vor allem 3 Punkte: Ausbalancieren, Regulieren und Integrieren. Er stellte als Beispiel heraus, dass der erste Termin für die Eltern nicht verhandelbar ist und er so, aufgrund der Reaktionen der Elternteile schon erste, wichtige Informationen erhält. Er stellt auch immer wieder die notwendige Frage, ob es sich bei den Kämpfen um eigene Interessen handelt oder um Stellvertreterkämpfe zum Beispiel von Großeltern, neuen Partnern oder gar von Rechtsanwälten.

Frau Dipl.-Psych. Marlies Baumann, Meerane nimmt sich sehr viel Zeit für einzelne Erstgespräche mit den Eltern. Das beinhaltet zuerst einmal die Aufklärung der Eltern über die Mechanismen, die für das Kind schädlich sind, über ihre Vorgehensweise bei der Arbeit mit den Eltern und über mögliche Konsequenzen. Ihr ist konsequente Offenheit gegenüber den Eltern wichtig. Auch sie legt Wert darauf, das Kind nach Möglichkeit nicht selbst zu explorieren, um es nicht zusätzlich zu belasten. Sie sieht außerdem die Notwendigkeit, das nähere Umfeld mit einzubeziehen, d.h. die weitere Familie, Lehrer, Erzieher und die am Verfahren beteiligten Professionen. Ein wichtiger Aspekt in ihrer Tätigkeit als Sachverständige ist es ebenfalls, herauszufinden, welcher Elternteil mehr Bindungstoleranz zeigt und ob die Eltern bereit sind, Hilfe anzunehmen.

Alle vortragenden Sachverständigen legten Wert auf Transparenz in alle Richtungen und in dem Zuge auch auf die Schweigepflichtentbindung durch die Eltern. Es zeigte sich jedoch, dass die Aufgabenstellungen der Gerichte und die Arbeitsweisen der Gutachter und Sachverständigen sehr unterschiedlich sind.

Nach einer Mittagspause begann die Arbeit in den Gruppen zu verschiedenen Themen. Hierbei wurde es als sehr positiv aufgenommen, dass sich dort die unterschiedlichsten Professionen gemeinsam einbrachten.

Am Ende des Tages wurden die einzelnen Arbeitsgruppenergebnisse zu folgenden Themen vorgestellt:

  • Grenzen der lösungsorientierten Arbeit
  • Vernetzte Arbeit
  • Lösungsorientierte Gutachten und Befangenheit
  • Hochstrittige Eltern und die Entwicklung von Hochstrittigkeit
  • Generationsübergreifende Begutachtung.

Die Fachtagung wurde mehrheitlich als sehr konstruktiv empfunden, machte aber auch klar, dass eine deutlich stärkere Vernetzung zwischen den beteiligten Professionen und damit eine interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig und gewollt ist, um in der Lösungsorientierung konsequenter intervenieren zu können. Offen ist noch, wie dies am Besten gelingen kann und wer dies weiter anschieben und koordinieren wird.