Einstweilige Stellungnahme zum Regierungsentwurf vom 19.11.2025: Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung und der Täterarbeit im Gewaltschutzgesetz

Familienrecht wird zum Strafrecht – auf Kosten der Kinder

Wir unterstützen das Anliegen, Opfer häuslicher Gewalt effektiver zu schützen. Allerdings überdehnte schon der Referentenentwurf das Familienrecht hin zum Strafrecht. Der heute am 19.11.2025 beschlossene Regierungsentwurf überspannt den Bogen. Familienrecht und Strafrecht setzen unterschiedliche Prioritäten und die Gerichte haben völlig verschiedene Ermittlungsmöglichkeiten. Die adverse Wirkung des Entwurfs offenbart sich, wenn unbeteiligte Kinder aufgrund verfahrenstaktisch behaupteter Gewalt eines Elternteils den Kontakt zum anderen Elternteil verlieren und so mitbestraft werden. Daher müssen wir den Regierungsentwurf ablehnen.

Das Kindschaftsrecht zielt insbesondere auf Bindungserhaltung. Kontaktabbrüche der Kinder zu ihren Eltern sind ausschließlich bei nicht mit milderen Mitteln abwendbarer Kindeswohlgefährdung die ultima ratio. Doch bei konflikthaften Trennungen möchte ein Elternteil nicht selten genau das erreichen: Die dauerhafte Entfremdung des Kindes vom anderen Elternteil mit Hilfe missbräuchlich erhobener Gewaltvorwürfe. Praktiker wissen, wie oft es bei kindschaftsrechtlichen Streitigkeiten zu unbegründeten Gewaltvorwürfen kommt und wie schwer es den Familiengerichten fällt, diese zu händeln.

Neu ist, dass mittlerweile (vermeintliche) Gewalt der Eltern untereinander, die das Kind gar nicht miterlebt, zu einer Ausgrenzung eines Elternteils führen soll (bspw. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. April 2025 – 2 UF 6/24 –, juris). In Verbindung mit dem Entwurf vergrößert sich jedoch die Gefahr, dass ein Kind zum bloßen Objekt für eigentlich strafrechtliche Sanktionen gegen einen Elternteil instrumentalisiert wird.

Zur Wahrung der Grundrechte muss die Beziehung eines Elternteils zum gemeinsamen Kind aber im Zweifel völlig unabhängig vom Verhältnis der Eltern untereinander sein.

Die Familiengerichte sind bereits erheblich überlastet. Eine Ausweitung ihrer Belastung würde zu einem Mehr an überlangen Verfahren führen.

Die elektronische Aufenthaltsüberwachung wird zwar als präventive Maßnahme deklariert, sie gleicht in ihrer Wirkung aber einem Strafvollzug.

Familienrichter sind keine Strafrichter. Familienrichter müssen auch nicht über belegbare Kenntnisse in Gewaltfragen verfügen (§ 23b Abs. 3 Satz 3 GVG).

Der Entwurf sieht jedoch vor, dass sie de facto strafrechtliche Entscheidungen treffen müssen. Derselbe Richter soll also sowohl eine Strafe verhängen als auch bei einer einvernehmlichen Lösung in einer Kindschaftssache helfen. Das halten wir für widersinnig.

Das Vertrauen in denselben Familienrichter dürfte nach einer de facto strafrechtlichen Entscheidung bei zumindest einem Elternteil regelmäßig verloren gehen.

Demgegenüber bieten das Polizeirecht und das Strafrecht ausreichende Möglichkeiten und den passenden Rahmen für Ermittlungen und den Schutz Gewaltbetroffener.

1. Unzulässige Therapieauflagen in Umgangssachen

„Soziale Trainingskurse“ und „Gewaltpräventionsberatungen“ zielen auf Verhaltensänderungen. Sie weisen naturgemäß therapeutische Elemente auf. In der Praxis werden sie von Trägern mit therapeutischer oder klinischer Ausrichtung durchgeführt. Mithin kommen sie therapeutischen Maßnahmen gleich und sind auch als solche anzusehen.

Der verfassungsrechtliche Rahmen für hoheitliche Eingriffe in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist eng gefasst.

(Lack in: Lack/Hammesfahr, Psychologische Gutachten im Familienrecht, 1. Verfassungsrechtlicher Rahmen, Rn. 483, mwN.)

Therapeutische Maßnahmen, die (nur) einen Elternteil betreffen, lehnt die ganz herrschende Rechtsprechung ab

(Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1684, Rn. 121, mwN.)

und Anordnungen nach § 1666 BGB gegen einen nichtsorgeberechtigten Elternteil sind unzulässig

(OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. April 2019 – 1 UF 247/17 –, juris, Rn. 14).

Zwar begrüßen wir die sogenannte TäterInnenarbeit grundsätzlich, aber verpflichtende Therapiemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht begegnen unseren verfassungsrechtlichen Bedenken.

§ 1684 Abs. 5 Satz 2 BGB-E schafft unzulässige Therapieauflagen durch die Hintertür.

Der Entwurf stellt selbst fest, dass

Täterarbeit in erster Linie auf die Verhinderung von Gewalt in Paarbeziehungen ausgerichtet ist. (RegE, 3)

Doch darum geht es beim Umgangsrecht (§ 1684 BGB) gerade nicht, da dieses völlig unabhängig von einer Paarbeziehung der Eltern ist und sich die Frage regelmäßig nur außerhalb einer elterlichen Paarbeziehung stellt.

Die Begriffe „Kindeswohl“ und „Kindeswohlgefährdung“ sind immer noch unbestimmte Rechtsbegriffe. Ohne eine Definition besteht jedoch die Gefahr, dass die Formulierung

„Soweit es zur Abwendung einer von einem Elternteil ausgehenden Gefahr für das Wohl des Kindes erforderlich ist“ (§ 1684 Abs. 5 Satz 1 BGB-E)

faktisch auf das Wohl eines Elternteils ausgedehnt und das Kind damit zum Proxy elternbezogener Konflikte gemacht wird.

In der Praxis erleben wir, dass der Konflikt nicht zwischen dem jeweiligen Elternteil und dem Kind, sondern zwischen den Elternteilen untereinander liegt, aber über das Kind ausgetragen wird.

Oft entsteht die Gefährdung zwischen den Elternteilen gerade deshalb, weil ein Elternteil nicht möchte, dass das Kind nach elterlicher Trennung Kontakt zum Ex hat. Nicht weil es das Kindeswohl erfordert, sondern weil der eine Elternteil nichts mehr mit dem Ex zu tun haben – oder ihn vielleicht sogar ‚bestrafen‘ – möchte. Erst in der Folge kann es zu missbräuchlichen Gewaltvorwürfen oder tatsächlicher Gewalt kommen.

Stattdessen müssten sich die Eltern aus dem Weg gehen und unabhängig vom jeweils anderen Elternteil eine gute Beziehung zum gemeinsamen Kind haben dürfen.

„Ich lasse dich Vater sein – du lässt mich Mutter sein. Da unsere Begegnungen immer wieder belastend und mit Auseinandersetzungen verbunden sind, gehen wir uns erst einmal aus den Füßen und suchen einen vernünftigen Weg, wie wir die im Interesse der Kinder notwendigen Absprachen treffen können – im Bedarfsfall mit Hilfe eines Dritten.“ (Weber, LAG Brb., TRI∆LOG 19/2018, 17)

Statt unzulässiger Therapieauflagen sind bei konflikthaften Trennungen mittelbare Kindesübergaben das Mittel der Wahl und de lege lata möglich. (Vgl. unsere Stellungnahme vom 06.09.2024)

2. Elektronische Aufenthaltsüberwachung dem Strafgericht vorbehalten

Wir begrüßen das Instrument der sogenannten elektronischen Fußfessel grundsätzlich. Allerdings muss eine Anordnung dem Strafgericht vorbehalten bleiben.

Eine gerichtliche und damit personelle Trennung der Zuständigkeit reduziert die Belastung des kindschaftsrechtlichen Verfahrens und schafft den nötigen Abstand zwischen den kindschaftsrechtlichen Zielen der Kontakterhaltung und -wiederherstellung auf der einen Seite und den strafrechtlichen Zielen der Prävention und ‚Bestrafung‘ auf der anderen Seite.

Einigkeit besteht, dass Kinder ein Recht darauf haben, in einem gewaltfreien Umfeld aufzuwachsen. Gewalt hat viele Gesichter und kann auch psychischer Natur sein sowie durch Falschbeschuldigungen und entfremdendes Verhalten verübt werden. Dies lässt der vorgelegte Entwurf jedoch völlig unberücksichtigt und zeigt daher eine Schieflage.

Familienrichter und amtswegige Verfahrensbeteiligte (Jugendamt, u.a.) müssen ausreichend qualifiziert sein und die nötige Zeit für einen Fall haben, damit sie nicht durch ihr eigenes Verhalten eine Gewaltspirale herbeiführen oder diese endlos eskalieren lassen.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangs stellen schon für sich genommen eine ‚Bestrafung‘ des Kindes und des auszugrenzenden Elternteils dar.

Die stigmatisierende Wirkung einer elektronischen Fußfessel kommt – insbesondere, wenn das Kind im Rahmen eines begleiteten Umgangs noch minimalen Kontakt zum betroffenen Elternteil hat – hinzu.

Anders als das FamFG und das GewSchG enthalten die StPO und das StGB detaillierte Regelungen zur Ermittlung von Tatgeschehen, zum Vorverhalten sowie zu Schuld, Unschuld und Strafzumessung.

Schlussbemerkungen

Der Regierungsentwurf dürfte gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen und das kindschaftsrechtliche Ultima-Ratio-Prinzip unterlaufen.

Wir müssen insbesondere die entworfenen Änderungen des § 1684 BGB ablehnen und auf bereits bestehende rechtliche Möglichkeiten sowie das Strafrecht verweisen.

Der Bundesvorstand (eA, CK)

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Berichterstatter: Bundesvorstandsmitglied, Christoph Köpernick, koepernick@vafk.de, 0171 - 45 27 999
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Der Väteraufbruch für Kinder e.V. (VAfK) ist der mitgliederstärkste, bundesweit vertretene Interessenverband für von Kindern getrennt lebende Eltern und Väteremanzipation. Er vertritt 4.000 Mitglieder in rund 100 lokalen Gesprächskreisen, Kontaktstellen und Kreisvereinen, darunter etwa 10 % Frauen.

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Die Menschen im VAfK verbindet, dass ihnen, ihren Kindern oder ihren Liebsten Schlimmes widerfahren ist oder widerfährt oder sie andere davor bewahren wollen. Sie stehen stellvertretend für die schätzungsweise 200.000 jährlich neu Betroffenen [Annahme: 3 Betroffene (1 Kind, 2 Angehörige) je Kontaktabbruch, vgl. Baumann et al., ZKJ 2022, 245].

Ziel des seit dem Jahr 1988 aktiven VAfK ist es, das Aufwachsen von Kindern in ihren Familien durch ein verstärktes Engagement ihrer Väter und durch kooperative Elternschaft, insbesondere nach Trennung und Scheidung, nachhaltig zu verbessern.

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Mitglieder im Bundesvorstand: Christoph Köpernick, Markus Koenen, Karsten Rulofs, Marcus Gnau und Peter Kolitschus.

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