Filmprojekt mit Hamburger Kreisverein

Am Oktober wird im Ersten ein Film zur Situation ausgegrenzter Eltern gezeigt. In Zusammenarbeit mit dem Hamburger Kreisverein wurde er produziert. Hartmut Haas berät betroffene Elternteile in Hamburg schon 10 Jahre. Er ist jetzt im Gespräch mit Dietmar Nikolai Webel:

Hartmut Haas, Sprecher des Hamburger Vorstandes

Ich bitte Dich unseren Leserinnen und Lesern vorzustellen.

Ich bin studierter, aber nicht examinierter Jurist, 63 Jahre alt und Vater eines erwachsenen Sohnes. Ich bin seit Dezember 2008 Witwer und lebe gegenwärtig (sehr harmonisch) noch mit meinem Sohn zusammen. Zum Väteraufbruch bin ich durch einen Fall aus der Schulklasse meines Sohnes gekommen, wo ich um Hilfe gebeten wurde. Das betroffene Mädchen konnte nach einem schwierigen Verfahren wieder zu ihrem Vater ziehen und ist heute selbst (eine gute) Mutter, während der Vater kein Interesse an diesem Kind hat. Im Hamburg bin ich schon lange im Vorstand, von 2009 bis 2011 war ich auch im Bundesvorstand.

Am 15.Oktober wird es einen ARD-Beitrag zu Eltern im Scheidungskampf geben, welcher mit Betroffenen des Hamburger Kreisvereins produziert wurde. Weißt Du schon mehr darüber, was die Zuschauer erwarten können?

Wir sind in das filmische Konzept des NDR natürlich nicht eingebunden, aber wir haben gut beobachten können, wie das Team vorgegangen ist und welche Fragen es gestellt hat. Es wird kein sachlicher Film mit qualifizierten Fachinformationen sein wie auf unseren Familientagen. Es wird ein Film für das Fernsehen sein, der natürlich auch die Emotionen ansprechen soll. Der Film wird aber vom ganzen Duktus her das Thema Kindentfremdung deutlich und gesellschaftskritisch bearbeiten. Immerhin ist die Mitautorin Uta König Grimmepreisträgerin, was für Qualität bürgt. Allein in unserer Selbsthilfegruppe haben sie mit zwei Kameras über drei Stunden gefilmt, da wird schon etwas Gutes dabei sein. In dem Interview mit mir ist noch einmal das Thema sexueller Missbrauch breit hinterfragt worden. Er kommt auch ein Vater in dem Beitrag vor, der schwer belastet wurde und dessen Fall mit unserer Hilfe bestens ausgegangen ist.

Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Eine der beiden Journalistinnen hat zum Thema recherchiert und ist dabei auf unsere Hamburger Webseite gestoßen und hat mich unter unserer (ständig besetzten) Hotline erreicht. Das Telefongespräch hat zu einen längeren Gespräch mit beiden Journalistinnen in meinem Büro geführt. Irgendwie müssen die beiden dann von unserer Arbeit so richtig überzeugt gewesen sein und haben sich viele Anregungen von uns geholt. Dazu gehörte natürlich auch die Vermittlung geeigneter Protagonisten/innen (es wird auch eine entfremdete Mutter zu Wort kommen).

Welche gesellschaftlichen Probleme liegen hinter diesem Fernsehbeitrag?

Die beiden Autorinnen haben das Thema Kindesentfremdung selbst gewählt, weil sie beide offenbar auch eigene Erfahrungen mit Trennung haben und eigene Kinder betroffen waren. Deswegen kannten sie vieles von dem, was auch wir erfahren haben. Sie wollen beide versuchen, mit dem Film daran etwas zu ändern. Sie erkennen die mangelnde Bereitschaft der Gesellschaft, den Kindern beide Eltern zu erhalten.

Wie beschreibst Du die Situation der betroffenen Eltern und Großeltern?

Die Situation betroffener Eltern und Großeltern wird besonders gut in den Film zu sehen sein, wofür schon die von uns vermittelten Protagonisten sorgen. Ich kann aus meiner Beratungsarbeit hinzufügen, dass alle Eltern immer schwer betroffen und oft sogar traumatisiert sind und die Mechanismen unseres Familienrechtssystems nicht begreifen können. Sie haben praktisch alle das Gefühl, dass sie der Staat und die Institutionen völlig allein gelassen haben.

Wie relevant ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit?

Nach meinen Beobachtungen gibt es noch ein großes Defizit an Wissen in der breiten Öffentlichkeit, die sich auch heute noch sehr erstaunt zeigt, wenn sie etwas aus der Szene erfährt. Aber die Medienberichterstattung hat in den letzten 10 Jahren an Umfang und Qualität deutlich zugenommen und zunehmend stets Position für die Kinder und gegen entfremdende Eltern ergriffen. Dass ein ausgrenzender Elternteil, meist eben die Mutter, noch als Heldin dargestellt wird, kommt in den Medien nur noch in ganz seltenen Ausnahmefällen vor.

Wie kann diesen Menschen geholfen werden?

Ich will zunächst sagen, wie den betroffenen Eltern und Kindern nur sehr schlecht geholfen werden kann. Die staatlichen Institutionen und die meisten Rechtsanwaltskanzleien bieten keine wirkliche Hilfe, weil sie nicht engagiert genug sind (und möglicherweise auch gar nicht sein können). Viele Eltern berichten, dass sie in der entscheidenden Situation allein gelassen worden sind. Deswegen kann man diesen Menschen wohl nur durch unseren nachhaltigen Hinweis auf die Eigenverantwortung helfen, sie bekommen meist nur das, was sie sich selber holen. Sie müssen sich selbst kundig machen und die Arbeit nicht an andere abgeben, sondern sich von anderen bei der eigenen Arbeit helfen lassen. Das sollte genau unsere Aufgabe sein, und wird so wohl auch überwiegend im Verein geleistet. Hilfe zur Selbsthilfe ist der zuverlässigste Weg, also etwa die Beratung und Unterstützung durch den Väteraufbruch, wie es in dem Film wohl auch gezeigt werden wird.

Was muss sich politisch ändern, damit Kinder eine Chance auf beide Elternteile nach einer Trennung habe?

Üblich ist hier der Ruf nach einem Umdenken in der Gesellschaft. Gut gebrüllt Löwe, aber doch eher Science-Fiction. Deswegen möchte ich diese Frage möglichst technisch und realisierbar beantworten. Wir brauchen, so wie es bei den meisten anderen deutschen Behörden ohnehin obligatorisch ist, ein Landesjugendamt, was den Jugendämtern auch in fachlicher Hinsicht Weisungen erteilen kann. Gegenwärtig ist es immer noch so, dass in fachlicher Hinsicht über dem Jugendamt immer nur der blau-weiße Himmel kommt. Weiter brauchen wir eine Weisungsbefugnis an die Jugendämter durch die Familiengerichte. Gegenwärtig ist es noch so, dass das Familiengericht das Jugendamt zwar anhören muss, aber nichts bestimmen oder auch nur kontrollieren kann. Die rechtliche Kontrolle über die Jugendämter liegt immer noch beim Verwaltungsgericht. Auch das sollte sich ändern, denn faktisch führt das dazu, dass die Jugendämter keinerlei Kontrolle unterliegen.

Ein weiterer Punkt ist die Freiheit der Gerichte, die Helfer im System, also Verfahrensbeistände, Sachverständige, Umgangspfleger und gleiches mehr selber aussuchen können. Dadurch kommt es zu einer unsäglichen Abhängigkeit, weil die Beauftragten natürlich nicht bereit sind, gegen das Gericht zu argumentieren von dem sie stets die Aufträge erhalten. Wir brauchen eine unabhängige und neutrale Stelle, die den Gerichten die Fachkräfte zuteilt, ohne dass diese darauf Einfluss nehmen können. Das Gericht darf nicht mitbestimmen, wer Verfahrensbeistand oder Sachverständiger wird. Das, so denke ich, sind konkrete Forderungen an die Politik, die sich auch mit politischen Mitteln bestimmen und durchsetzen lassen müssten.

Du bist nun schon 10 Jahre aktiv im Väteraufbruch für Kinder tätig, was motiviert Dich?

Ja, das stimmt, ich bin schon lange im Verein beratend tätig. Sicher hat dazu meine besondere Situation beigetragen, dass ich persönlich nie von Trennung betroffen war. Bis zu dem Tod meiner Frau vor fast 4 Jahren, habe ich eine 40 jährige von Dauerliebe begleitete Partnerschaft und Elternschaft erleben dürfen.

Ich weiß, wie erfüllend Partnerschaft sein kann und erkenne daher das Leid verlassener Eltern sehr genau. Ich kann, glaube ich, gerade deswegen etwas neutraler und unbefangen aber auch sehr einfühlsam tätig werden. Dann glaube ich, dass jeder in unserer Gesellschaft einen Beitrag bringen muss, zu dem er in der Lage ist. Das, was ich gelernt habe und das, was ich weiß und die Art wie ich arbeite sind wohl zusammen geeignet, den Eltern in schwierigen Lagen einen Weg zu zeigen. Wenn ich das kann und wenn die anderen es brauchen, dann fühle ich mich eben verpflichtet es auch zu tun. Immerhin ist es auch eine sehr befriedigende Arbeit, wenn man sieht, wie wichtig solche Hilfe ist und wie viele Erfolge man verzeichnen kann.

Hartmut, ich danke Dir für das Gespräch.