Möglich wurde dieser Tag, weil sich seit vielen Jahren der Väteraufbruch für Kinder, KV Halle, monatlich mit strafgefangenen Vätern in einer Gruppe trifft. Unterstützt wird der Verein nicht nur von der Sozialarbeiterin Uta Meudtner, sondern auch in besonderer Weise von der Anstaltsleitung. Das Thema „Vaterschaft“ spielte im Gefängnisalltag keine allzu große Rolle und war offensichtlich bei den Verantwortlichen vorher kaum präsent. Die Arbeit mit Vätern verdeutlicht, dass sie ein wichtiger Baustein zur Resozialisierung in die Gesellschaft darstellt.
Begonnen hatte alles mit einer Idee und einem Gespräch mit der Gefängnisseelsorgerin. Sie lud dann Väter und den Väteraufbruch zu einer ersten Begegnung ein. Es war ein gelungener Start, der viele Fragen und Möglichkeiten bei den Gefangenen offen ließ. Die Probleme der Strafgefangenen unterschieden sich nicht wesentlich von den Nöten der Vereinsmitglieder. Im Mittelpunkt der Gespräche standen selbstverständlich das Umgangsrecht und das Sorgerecht, die väterliche Verantwortung in einer Patchwork-Familie, Kinder in Pflegefamilien und die Vaterschaftsfeststellung.
Die gesammelten Erfahrungen aus der Vereinsarbeit konnten problemlos in die JVA-Arbeit einziehen. Darüber hinaus wurden auch wichtige Themen und Aktionen bedacht und besprochen. So schrieben die Väter Postkarten zum Kindertag. Dabei wurde deutlich, dass sich unter einem lieb gemeinten Kindertags-Wunsch eine andere Nachricht verbergen kann. Das wurde in der Gruppe als Sub-Text bezeichnet. „Du hast eine tolle Mutti, nur leider lässt sie nicht zu, dass wir uns sehen können.“ Solche Sätze wurden dann im Gruppengespräch aus den Augen der Kinder betrachtet. Es wurde in diesem Falle festgestellt, dass der Beispielsatz die Kinder gar nicht ansprach, sondern ein Vorwurf gegen die Mutter darstellt. So begannen die Väter, die eigenen Äußerungen aus einem anderen Blickwinkel zu sehen – dem des Kindes.
Durch die Postkartenaktion haben die Männer ihre Vaterschaft wieder spüren können, unabhängig davon, ob die Wünsche zum Kindertag tatsächlich die Kinder erreichten. Deshalb suchten wir nach neuen Möglichkeiten, Vaterschaft erfahrbar zu machen. Mit wenig Geld, aber mit großem Einsatz der Väter produzieren wir nun schon einige Jahre zum Geburtstag der Kinder eine CD mit einer altersgerechten Geschichte, welche vom Väterradio dann mit Musik und Hörspielgeräuschen bereichert wird. Es wurden sogar eigene Rap-Texte oder Gedichte verarbeitet. Viele Gefangene haben oft wenig Erfahrung mit dem Vorlesen. Aber sie haben sich für ihre Kinder dieser Herausforderung gestellt. So sind sehr viele und schöne CD-Produktionen für die Kinder entstanden. Besonders erfreulich ist, wenn genau dieses Geschenk den Kontakt zwischen Vater und Kind wieder hergestellt hat.
In der Adventszeit bekommen die Kinder der Vätergruppe ein Weihnachtspäckchen, welches von der Aktion „Engelbaum“ zur Verfügung gestellt wird, weil es immer wieder Spender in den Kirchengemeinden gibt. Das Väterradio hat in der Weihnachtsbrücke am 20.12.2012 mit dem Vereinsvorsitzenden diese Aktion vorgestellt und sie kann im Sendearchiv des Väterradios noch einmal angehört werden. Auch dieses Angebot war für die Väter in der JVA eine wichtige Unterstützung ihrer Beziehung zu ihren Kindern.
Die Leitung der JVA möchte nun dieses Angebot auf andere JVA-Bereiche erweitern. Das stößt an die vorhandenen personellen Ressourcen, erscheint aber trotzdem reizvoll. Denn das Vereinsmotto lautet doch: Allen Kindern beide Eltern. Sicherlich beschäftigt sich der Väteraufbruch für Kinder mit den ganz normalen Problemen vieler Trennungsväter. Das allein schon stellt eine ausgefüllte Vereinsarbeit dar. Warum sich dann noch für Randgruppen einsetzen? Bei solcher Fragestellung steht die Glaubwürdigkeit unseres Mottos auf dem Spiel. Es geht um das Wohlbefinden aller Kinder, welche sich ihre Eltern nicht ausgesucht haben.
Auf dem 10. Familienkongress zum Thema „Kooperation und Vernetzung“ sprach die Sozialarbeiterin Uta Meudtner über diese fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Väteraufbruch in Halle. Auch die Fachwelt vor Ort sieht in diesem Ansatz weniger das Protestpotential von unzufriedenen Vätern in Halle und Umgebung, sondern die konstruktive und lösungsorientierte Arbeit über viele Jahre. Das hat nicht nur das Ansehen hier befördert, sondern auch die Zusammenarbeit wesentlich verbessert.
Auch in Halle gibt es noch viele ungelöste Probleme. Halle ist nicht das „Väterschlaraffenland“. Aber der Verein wird als glaubwürder Gesprächspartner ernst genommen und immer stärker in die einzelne Fallbearbeitung integriert. Die Früchte dieser Arbeit ernten nicht nur die ganz normalen Trennungsväter, sondern auch die „Knast-Väter“ und deren Kinder. Es ist bei den Jugendämtern mittlerweile ein positives Markenzeichen, wenn sich die Väter in der JVA in der Gruppe engagieren.