„Plädoyer für eine linke Männerpolitik“

Männer haben es in Gleichstellungsfragen genauso schwer wie Frauen. Während Frauenpolitik gesellschaftlich etabliert ist und durch staatliche Förderung unterstützt wird, muss man diese für Männer suchen – meinst ohne Erfolg. Vom engagierte Journalist und Blogger Arne Hoffmann erschienen im Februar dazu gleich zwei Bücher, „Plädoyer für eine linke Männerpolitik“ mit zahlreichen Quellen und die kürzere Version „Not am Mann: Sexismus gegen Männer“, mit dem ich jetzt im Gespräch bin:

 

Der Titel Ihres Buches lautet "Plädoyer für eine linke Männerpolitik". Ich kann mir unter einer linken Männerpolitik so gar nichts vorstellen, was soll das sein?

Während mein Buch auch ein eigenes Kapitel mit Kritik vor allem an den rechten Aspekten der feministischen Ideologie enthält, also etwa sexistische Hate Speech und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit anspricht, bin ich nicht der Ansicht, dass erst mit dem Feminismus großes Unheil über uns gekommen ist und in der Zeit davor für Männer alles in Butter war. Insofern habe ich schon 2001 in meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" erklärt, dass ich einen Rollback für unsinnig halte. Ihre alte Geschlechterrolle erlaubte Männern wenig Freiheit, Vätern wenig Zeit für ihre Kinder, machte sie stattdessen zu Wesen, die sich kaputtschuften oder an der Front verrecken mussten – und das alles gefälligst ohne zu klagen: zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und ein Indianer kennt keinen Schmerz. Dementsprechend tun sich viele Rechte heute noch mit männlichen Opfern und einer Antidiskriminierungspolitik für Männer schwer. Für dieses Thema wäre normalerweise die Linke prädestiniert, zumal eine Männerbewegung dort auch etwa an die Friedens- und Arbeiterbewegung anknüpfen könnte. Leider verschließt die Linke gegenüber diesem Problembereich bislang vielfach Augen und Ohren; "Männer" gilt dort, wie es in der "taz" in einem Moment der Einsicht hieß, geradezu als Schimpfwort. Früher war die Linke mal der Anwalt des kleinen Mannes, heute vor allem der Quotenfrau im höheren Management. Wenn ein solches Riesenfeld brachliegt, versuchen es natürlich auch radikale Rechte an sich zu reißen, was ich für keine wünschenswerte Entwicklung halte – zumal sie es dem Gender-Establishment ermöglicht, Männerrechtspolitik unter dem Vorwand, sie sei "rechts", weiter zu tabuisieren.

Was erwartet die Leserin bzw. den Leser in Ihrem Buch; warum lohnt es sich, dieses zu kaufen?

In Blogs der Szene hasten wir oft von einem Aufreger des Tages zum nächsten. Das wird aber nicht genügen, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. Wir brauchen auch einen Überblick über die aktuelle Situation verbunden mit einer tiefergehenden Analyse ihrer Zusammenhänge und Hintergründe. Das kann nur ein Buch leisten. Beispielsweise haben sich zu diesem Thema in den letzten 15 Jahren eine ganze Reihe von Politikwissenschaftlern, Soziologen, Ökonomen und Menschenrechts-Aktivisten geäußert, die mit der Männerrechtsbewegung in keiner Weise vernetzt sind, inhaltlich aber voll auf unserer Linie liegen. Ein Großteil der deutschen Männerszene weiß nichts von all diesen Erkenntnissen und Argumenten, weil sie weder in der klassischen Genderforschung noch in den maskulistischen Blogs und Foren auftauchen. Ich war bei der Recherche für mein Buch selbst immer wieder überrascht –  und oft genug auch erschüttert.

Die SPD hat 2007 in Hamburg mit ihrem Parteiprogramm die menschliche Gesellschaft propagiert und leitete polarisierend die Überwindung der männlichen Gesellschaft ab. Was ist aus dem linken Lager tatsächlich zu erwarten?

Eine Borniertheit gegenüber männerpolitischen Positionen ist ja kein Problem der SPD allein, sondern zieht sich durch alle deutschen Parteien. Aufschlussreich war in dieser Hinsicht Stephan Klenners Beitrag "Welche Partei macht Männerpolitik?", für den Klenner innerhalb Hamburgs bei CDU, SPD, FDP, der Linken und den Grünen auf die Suche nach Menschen ging, die sich dieses Themas annahmen – was in einer großen Enttäuschung endete. Das Fazit, das Klenner zieht, gilt auch außerhalb der Hansestadt: "Der heterosexuelle Mann hat im politischen Milieu niemanden, der sich aufgrund eigener Betroffenheit gegen männerspezifische Benachteiligungen in der Gesellschaft engagiert. Solange das so ist, wird es vermutlich niemanden geben, der genauso entschlossen gegen solche Benachteiligungen kämpft, wie es die Feministinnen von SPD, Grünen und Linkspartei heute noch für die Frauen tun. Echte Männerpolitik wird aber genau diesen Eifer brauchen, um Veränderungen zu erreichen." Ich werbe für dieses Engagement naturgemäß eher in meinem eigenen linken Lager, dessen Sprache ich spreche, als beim politischen Gegenüber.

Wie könnte oder müsste eine linke Männerpolitik denn aussehen – und wen wollen Sie mit Ihrem Buch konkret ansprechen?

Ich will jeden ansprechen, der an einer emanzipatorischen Männerpolitik Interesse hat. Dazu gehört für uns Linke zunächst mal die Beseitigung sämtlicher Diskriminierungen, also etwa dass Jungen für dieselbe Leistung schlechter benotet werden, Männer vor Gericht für dasselbe Vergehen schwerer bestraft und zum Beispiel auch von Job-Centern härter sanktioniert werden. Dazu gehören ebenso Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Männer, die bisher zu über 90 Prozent zu denjenigen Menschen gehören, die durch ihre Arbeit ums Leben kommen. Gleiche Rechte für Väter wie für Mütter, insbesondere was Sorge und Umgang angeht. Männerforschung, die nicht rein feministisch ausgelegt ist und Männer vor allem als Täter wahrnimmt, sondern zum Beispiel erkundet, warum über drei Viertel aller Obdachlosen männlich sind und wie man diese Ursachen angehen kann. Der sich abzeichnende ökonomische Absturz zahlreicher Männer infolge der Jungenkrise und eine einseitige Frauenförderpolitik sollte unterbunden werden. Für männliche Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt muss es angemessen ausgebaute Hilfsmöglichkeiten geben. Wir müssen der (nicht nur) radikalfeministischen Hate Speech gegen Männer Einhalt gebieten. Schwule Männer und männliche Zuwanderer verdienen ebenfalls eine vernünftige Geschlechterpolitik: Bei letzerer Gruppe erstreckt sich das von "klassischen" Themen ethnischer Minderheiten wie Beschneidung bis auf das Einbinden von Zuwanderern in die bestehende Männer- und Väterpolitik. Im Bereich Menschenrechte ist international viel mehr für Männer zu tun, als ich innerhalb weniger Sätze sinnvoll darstellen kann. Wie Sie sehen, kann ich mich zu dieser Frage ohnehin nur stichpunktartig äußern. Da es in der Geschichte der Menschheit noch niemals Männerpolitik gab, sind hier inzwischen zahllose Felder zu beackern. Und kaum jemand tut es.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich die Männer bisher kaum für eine "Befreiungsbewegung" interessierten?

Um nur einige aus der Vielzahl von Gründen zu nennen: Männer scheinen sich eher als Individuen denn als Gruppe zu sehen und glauben, mit Zumutungen allein fertig werden zu müssen, statt sie als geschlechtsübergreifend zu erkennen und sich zu solidarisieren. Vor allem Männer mit einem sehr konservativen Rollenbild möchten sich ungern als Opfer darstellen. Auf der anderen Seite findet durch unsere Medien eine Dauerbeschallung über das Leiden von Frauen statt, was mitunter absurd überrissen wird. Hier redet die feministische Lobby offenbar vor allem linken Männern mit einem Mechanismus, den Foucault als "Pastoralmacht" bezeichnete, ein riesiges Schuldbewusstsein ein, was diese Männer glauben nur bewältigen zu können, indem sie alles tun, um allein Frauen zu helfen und sich selbst und anderen Männern sogar zu schaden.

Polarisiert ein Maskulismus genauso wie der Feminismus die Gesellschaft und übrig bleibt am Ende nur noch der Geschlechterkrieg?   

Schon auf dem Backcover meines Buches "Sind Frauen bessere Menschen?" findet man ja das Statement "Es darf nicht länger darum gehen, den Geschlechterkampf zu gewinnen, sondern darum, ihn zu beenden." Und im Vorwort meines "Plädoyers" erkläre ich, dass es dem Maskulismus nicht darum gehen sollte, die feministischen Fehler zu widerholen und eine Gesellschaft zu schaffen, die sich statt wie bisher vor allem um Frauen vor allem um Männer kümmert. Wir benötigen eine faire und ganzheitliche Geschlechterpolitik. Aber es wäre doch weltfremd zu glauben, dass bisher kein "Geschlechterkrieg" stattfinde, weil nur Feministinnen Forderungen stellen und über ihre Anliegen sprechen, während Männer dazu ingrimmig schweigen und alles mit sich geschehen lassen. Ein echter Geschlechterfriede kann doch nur auf Augenhöhe geschehen, statt das Verlieren des Geschlechterkampfes diktiert zu bekommen.

Nun fällt auf, dass mit diesem Buch gleich noch ein anderes Buch von Ihnen auf dem Markt erschienen ist. Warum haben Sie zu diesem Thema auch noch "Not am Mann" veröffentlicht?    

Die beiden Bücher sind auf der Grundlage desselben Originalmanuskripts entstanden. Zur Veröffentlichung erschien mir das Gütersloher Verlagshaus, ein linker Verlag mit christlichem Hintergrund, sehr passend. Dort begeisterte man sich auch schnell für mein Buch, fand mein Manuskript aber zu umfangreich und das Männerthema zu wichtig, um nur linke Leser darauf aufmerksam zu machen. Von diesen Argumenten war ich einerseits schnell zu überzeugen. Andererseits wollte ich meine ursprüngliche Vision nicht einfach aufgeben. Also handelte ich einen Deal aus, den es meines Wissens so noch nie gegeben hat: Zeitgleich mit "Not am Mann", das sich an eine breite Leserschaft richtet, erscheint "Plädoyer für eine linke Männerpolitik" als ungeschnittene Originalfassung im Eigenverlag – mit 416 statt 255 Seiten deutlich dicker, aber zum selben Preis. Es bleibt so jedem Leser überlassen, ob er die etwas abgespeckte Version wählt oder sich die volle Packung gönnt.

Arne Hoffmann
Plädoyer für eine linke Männerpolitik
416 Seiten Taschenbuch
ISBN-10: 149543625X
ISBN-13: 9781495436253
Preis: EUR 19,99

Not am Mann: Sexismus gegen Männer
256 Seiten Gebundene Ausgabe
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3579070657
ISBN-13: 978-3579070650
Preis: EUR 19,99
Verlag: Gütersloher Verlagshaus