Mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts hat der Gesetzgeber das Unterhaltsrecht mit dem Ziel der Stärkung des Kindeswohls, der wirtschaftlichen Entlastung sogenannten Zweitfamilien sowie der Vereinfachung reformiert. Im Geschiedenenunterhaltsrecht gilt seitdem verstärkt der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung jedes Ehegatten, dem es gemäß § 1569 BGB n.F. obliegt, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, es sei denn, er ist hierzu außerstande. Durch den neu geschaffenen § 1578b BGB ist die Möglichkeit eröffnet worden, den nachehelichen Unterhalt im Einzelfall unter Billigkeitsgesichtspunkten herabzusetzen und/oder zeitlich zu
begrenzen. Des Weiteren ist die Rangfolge der Unterhaltsberechtigten für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, ihnen allen Unterhalt zu leisten (sogenannter Mangelfall), in § 1609 BGB neu festgelegt worden: Während den minderjährigen Kindern der erste Rang zugewiesen ist, sind geschiedene und nachfolgende Ehegatten im Rang grundsätzlich gleichgestellt.
Unverändert ist dagegen neben der Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (§ 1581 BGB) die Regelung des Maßes des nachehelich zu gewährenden Unterhalts geblieben, das sich gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs waren für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung maßgeblich.
Danach eintretende Veränderungen der Verhältnisse wurden nur ausnahmsweise in die Unterhaltsbedarfsbestimmung einbezogen. Änderungen des Einkommens des geschiedenen Ehegatten waren beispielsweise in die Ermittlung des Unterhaltsmaßes nur dann einzubeziehen, wenn sie zum Zeitpunkt der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen waren und diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits geprägt hatte oder aber die Änderungen das Surrogat einer zuvor erbrachten Haushaltsführung darstellten.
Nunmehr geht der Bundesgerichtshof aber davon aus, dass die für die Höhe des Unterhaltsbedarfs maßgeblichen Lebensverhältnisse einer geschiedenen Ehe Veränderungen unabhängig davon erfahren können, ob diese in der Ehe angelegt waren. Mit Urteil vom 30. Juli 2008 (BGHZ 177, 356) hat er erstmals eine Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehepartner in die Bemessung des Bedarfs des vorangegangenen, geschiedenen Ehegatten einbezogen: Der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten sei zu ermitteln, indem seine bereinigten Einkünfte ebenso wie diejenigen des Unterhaltspflichtigen und dessen neuen Ehepartners zusammengefasst und durch drei geteilt würden (sogenannte Dreiteilungsmethode). Mittels einer Kontrollrechnung sei sodann sicherzustellen, dass der geschiedene Ehegatte maximal in der Höhe Unterhalt erhalte, die sich ergäbe, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte.
Der Beschwerdeführerin, die 24 Jahre mit dem Kläger des Ausgangsverfahrens verheiratet war, wurde zunächst im Zuge der Scheidung ein nachehelicher Aufstockungsunterhalt von 618 € monatlich zuerkannt. Nach der Wiederheirat des Klägers setzte das Amtsgericht im Ausgangsverfahren in Anwendung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den monatlich zu zahlenden Unterhalt auf 488 € herab, indem es die Einkünfte der nachfolgenden Ehefrau im Wege der
Dreiteilungsmethode in die Bedarfsberechnung einbezog. Das Oberlandesgericht hielt das Urteil hinsichtlich der Unterhaltsbemessung aufrecht. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin insbesondere eine Verletzung ihres Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverwiesen. Die zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ unter Anwendung der Berechnungsmethode der sogenannten Dreiteilung löst sich von dem Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts und ersetzt es durch ein eigenes Modell. Mit diesem Systemwechsel überschreitet die neue Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletzt die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
1. Das Konzept des Gesetzgebers zur Berechnung des nachehelichen Unterhalts differenziert zwischen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten, dessen Unterhaltsbedarf, der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sowie der Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter. Den Ausgangspunkt der Unterhaltsberechnung bildet die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs, an dessen Ermittlung sich die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen sowie der Verteilung der verfügbaren
Geldmittel im Mangelfall anschließt. An dieser Strukturierung hat der Gesetzgeber anlässlich der Unterhaltsreform festgehalten. Dies gilt ebenso für die Ausrichtung des Unterhaltsmaßes an den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, mit der der Gesetzgeber auf die individuellen Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten Bezug genommen hat, die er nach wie vor zum
Zeitpunkt der Scheidung bestimmt wissen will.
Über dieses beibehaltene Konzept setzt sich die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinweg, indem sie einen Systemwechsel vornimmt, bei dem sie die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Bestimmung des Unterhaltsbedarfs durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt. Die geänderte Auslegung hebt die gesetzliche Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit auf. Sie berücksichtigt die nachehelich entstandenen Unterhaltspflichten gegenüber einem weiteren Ehegatten bereits auf der Ebene des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB), obwohl deren Berücksichtigung gesetzlich erst auf der Ebene der nach den gegenwärtigen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu beurteilenden Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB vorgesehen ist. Statt die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs nach den
„ehelichen Lebensverhältnissen“ der aufgelösten Ehe vorzunehmen, ersetzt sie diesen Maßstab durch den der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ und bestimmt damit und unter Anwendung der Dreiteilungsmethode den Unterhaltsbedarf letztlich nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen und finanziellen Ausstattungen wie Belastungen der Geschiedenen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Unterhalts unter Einbeziehung auch des Einkommens, das der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen erzielt oder das ihm fiktiv zugerechnet wird. Dieser neue Maßstab spiegelt die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr wider und löst sich in Gänze von der gesetzlichen Vorgabe.
Zudem bezieht die neue Rechtsprechung den Unterhaltsbedarf des nachfolgenden Ehegatten nur so lange in die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs des geschiedenen Ehegatten mit ein, wie dies zu einer Verkürzung des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten führt. Wirkt sich die Dreiteilungsmethode zugunsten des geschiedenen Ehegatten aus, wird sein Unterhaltsbedarf mittels der vom Bundesgerichtshof vorgesehenen Kontrollrechnung auf den sich nach seinen ehelichen Lebensverhältnissen ergebenden Betrag herabbemessen. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass der geschiedene Ehegatte infolge der neuen Bedarfsermittlungsmethode regelmäßig weniger, selten dasselbe, nie aber mehr erhält als im Wege einer nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmten Berechnung.
Die neue Rechtsprechung lässt sich mit keiner der anerkannten Auslegungsmethoden rechtfertigen. Sie läuft dem klaren Wortlaut des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB zuwider, der die „ehelichen Verhältnisse“ zum Maßstab der Bedarfsbemessung erhoben hat und damit diejenigen Verhältnisse, die in der geschiedenen Ehe bestanden haben oder zumindest mit ihr in Zusammenhang stehen. Ein Bezug zu den „ehelichen Lebensverhältnissen“ lässt sich jedoch nicht mehr bei der Einbeziehung von Veränderungen herstellen, die gerade nicht auf die Ehe zurückzuführen sind, sondern - wie Unterhaltspflichten gegenüber einem neuen Ehegatten - scheidungsbedingt sind.
Die neue Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sich auch nicht aus dessen systematischer Einbindung in den Normenkontext herleiten, da sie die vom Gesetzgeber vorgesehene Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit aufhebt. Zudem widerspricht sie dem Zweck des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB, der dazu dient, dem unterhaltsberechtigten Ehegatten bei der Bestimmung seines Bedarfs grundsätzlich gleiche Teilhabe an dem zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung gemeinsam erreichten Status zu gewähren. Die mit der Kontrollrechnung verbundene richterliche Dreiteilungsmethode belastet
den vorangegangenen Ehegatten einseitig zugunsten des Unterhaltspflichtigen und dessen nachfolgenden Ehegatten. Sie setzt sich überdies über den Willen des Gesetzgebers hinweg. Soweit dieser Einschränkungen beim nachehelichen Unterhalt vorgenommen hat, wie bei der Kürzung oder Befristung von Unterhaltsansprüchen nach § 1578b BGB, hat er damit die unterhaltsrechtliche Position des geschiedenen Ehegatten nicht von vornherein verschlechtern wollen, wie dies die Bedarfsbestimmung nach der Dreiteilung vorsieht, sondern nur unter
bestimmten Billigkeitsgesichtspunkten.
Die geänderte Rechtsprechung lässt sich schließlich nicht mit dem Ziel der Unterhaltsreform begründen, das Unterhaltsrecht zu vereinfachen. Sie erleichtert die Unterhaltsberechnung nicht, sondern erweitert sie um den Rechenschritt der Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilung, da sie im Rahmen der Kontrollrechnung eine Berechnung des Unterhalts nach der von der Rechtsprechung herkömmlich angewandten Methode unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse der aufgelösten Ehe vorsieht.
2. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt die Beschwerdeführerin in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Sie beruht auf der die Grenze zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreitenden neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in deren Folge der Unterhaltsbedarf der Beschwerdeführerin und damit ihr Unterhaltsanspruch in einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Maße verkürzt worden sind.