Urteil der Woche - Unterhalt nach der Scheidung

Das Alter spielt keine Rolle: Geschiedene Ehefrauen können auch zu einem Vollzeitjob verpflichtet sein, wenn sie ein kleines Kind haben.

 

von Britta Schönborn

Der Fall

Seit der Unterhaltsreform 2008 wird vor Gericht immer wieder darum gerungen, in welchem Umfang die geschiedene Mutter eines kleinen Kindes für ihren eigenen Unterhalt arbeiten muss.

In diesem Fall lebte der gemeinsame, inzwischen sechsjährige Sohn der Eheleute seit der Trennung bei der Mutter. Für das Kind stand ein Kindergartenplatz von 7.30 bis 16.30 Uhr zur Verfügung. Der nicht mehr berufstätige Vater hatte den Sohn jeden Mittwochnachmittag, jeden zweiten Freitagnachmittag und jedes zweite Wochenende bei sich. Der Vater bot eine Ausweitung seiner Betreuung an.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte den Vater zur Zahlung von Betreuungsunterhalt verpflichtet, da die Mutter lediglich verpflichtet sei, einer Teilzeittätigkeit mit 25 Wochenstunden nachzugehen. So könne sie das Kind bis 14.30 Uhr im Kindergarten abholen. Der Nachmittag stehe dann für häusliche Betreuung und Aktivitäten zur Verfügung.

Kinder im Kindergartenalter benötigten eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung, sagte das OLG, sodass eine Vollzeittätigkeit trotz Ganztagskindergarten zu einer überobligatorischen Belastung der Mutter führen könne - zumal auch gesellschaftlich erwartet werde, dass Eltern sich intensiv mit ihren Kindern beschäftigen und diese fördern. Grundsätzlich könne daher von der Mutter eine Vollzeittätigkeit bis zur Beendigung der Grundschulzeit regelmäßig nicht erwartet werden.

Die Mutter müsse auch nicht das Angebot des Vaters annehmen, seine Betreuungszeiten auszuweiten. Wegen des langjährigen Streites der Eltern um die Ausweitung des Umgangsrechts bestünden Zweifel, dass dies dem Kindeswohl diene.

Das Urteil

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und das OLG zu einer neuen Entscheidung verpflichtet. Dabei hat er betont, dass es den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr des Kindes hinaus allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes abzustellen. Die persönliche Betreuung während der Nachmittagsstunden, so der BGH ausdrücklich, sei gegenüber einer Fremdbetreuung im Kindergarten nicht vorrangig.

Der BGH hat zudem entschieden, dass für die Betreuung des gemeinsamen Kindes grundsätzlich auch der andere Elternteil in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet.

Im konkreten Fall entlaste der Vater die Mutter bereits durch die von ihm wahrgenommenen Umgangszeiten. Hierdurch werde jedenfalls an einzelnen Tagen schon eine vollschichtige Tätigkeit möglich.

Es müsse deshalb konkret geprüft werden, ob nicht eine Umgestaltung der Umgangszeiten des zeitlich flexiblen Vaters die Mutter weiter entlasten könne. Dass dies dem Kindeswohl widerspreche, habe das OLG nicht festgestellt.

Die Folgen

Betroffene Eltern müssen künftig einen immensen Aufwand betreiben, um darzulegen, dass ihnen eine Vollzeittätigkeit nicht möglich ist. Auch wird es zunehmend Fälle geben, in denen die ohnehin schon schwierigen Streitigkeiten um die Umgangszeiten des anderen Elternteils auch noch in die Unterhaltsverfahren verlagert werden.

In mehreren Entscheidungen hat der BGH inzwischen pauschale Annahmen eines persönlichen Betreuungsbedarfs sowie Wertungen bezüglich der Überlastung des Elternteils für unzulässig erklärt, soweit diese vor allem mit dem Alter eines Kindes begründet wurden. Mit seinem aktuellen Urteil bekräftigt er, dass ein Elternteil, der ein über dreijähriges Kind betreut, nicht allein aufgrund des Alters des Kindes von einer Vollzeiterwerbstätigkeit befreit ist. Dabei legt er äußerst strenge Maßstäbe an die Prüfung der Verlängerung eines Betreuungsunterhalts an.

Vorhandene Fremdbetreuungsmöglichkeiten sind anzunehmen, und auch der andere Elternteil kommt als zusätzliche Betreuungsperson in Betracht - sofern eine Umgestaltung oder Ausweitung der Umgangszeiten dem Kindeswohl nicht widerspricht. Dies ist vom Gericht im Einzelfall konkret zu prüfen.

Urteilstext:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=56660&pos=0&anz=1