Ein Bündnis aus mehreren Verbänden fordert die Ampel-Parteien vordergründig auf, die „bestehende Vielfalt von Umgangsmodellen“ zu erhalten. Hintergrund ist offensichtlich, dass es zu diesem Punkt in den Sondierungsgesprächen hakt. Nahe liegt, dass trotz der beschworenen Vertraulichkeit auch hier erneut die Grünen Informationen aus den Koalitionsverhandlungen an ihnen nahestehende Verbände durchgestochen haben, um öffentlich Druck für ihre Interessen zu machen.
Nachdem die Grünen in den letzten Verhandlungsrunden einen Großteil der eigenen Ideale aufgegeben haben, um Teil der nächsten Regierung zu werden, soll die FDP nun im Gegenzug offenbar die Modernisierung des Familienrechts opfern.
Es zeugt nicht nur von schlechtem Stil, die vereinbarte Vertraulichkeit zwischen den künftigen Koalitionspartnern zu brechen, darüber hinaus soll die Öffentlichkeit durch sprachliche Schönfärberei ganz offensichtlich getäuscht werden.
Dies geht einher mit den bekannten Nachteilen: Der getrennt erziehende Elternteil wird stark belastet, ist beruflich eingeschränkt und von Altersarmut bedroht.
Vor allem aber wird eine gleichberechtigte und gleichverantwortliche Elternschaft auf Augenhöhe behindert.
„Es ist bezeichnend, dass die Verbände für sogenannte Alleinerziehende gerade versuchen, die laufenden Koalitionsverhandlungen für ihre Forderung zu nutzen. Es soll unter allen Umständen am rückständigen und ausgrenzenden Residenzmodell festgehalten werden, obwohl es die eigene Klientel auch nach eigenen Angaben stark belastet. Tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Argumentation die Befürchtung, dass es eben dieser Klientel künftig nicht mehr möglich wäre, die Kinder als Faustpfand gegen den Ex-Partner zu benutzen und sich darüber hinaus Unterhaltsansprüche zu sichern. Diese Haltung auf Kosten des Kindeswohls ist einer modernen Familienpolitik unwürdig“, erklärt Markus Witt, Mitglied im Bundesvorstand des Väteraufbruch für Kinder e.V..
Wohl auch deshalb wird wider besseren Wissens kolportiert, die FDP fordere, „das Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall für alle Kinder getrennter Eltern festzuschreiben“. Davon kann keine Rede sein. Eine Kindeswohlprüfung war und ist immer vorgesehen, nur nicht das Alleinbestimmungsrecht eines Elternteils auf das Residenzmodell, dem auch der Bundesgerichtshof bereit 2017 eine Absage erteilte.
Der Hinweis, dass ein Wechselmodell als gesetzlicher Regelfall nicht allen Trennungskindern gerecht werde gilt umgekehrt genauso für das Residenzmodell. Es wird bewusst verschwiegen, dass internationale Studien immer wieder belegt haben, dass Kinder mehr vom Wechsel- als vom Residenzmodell profitieren. Im Hinblick auf die Faktenlage ist es nach Ansicht des VAfK skandalös, dass die seit Jahren angekündigte deutsche Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ vom SPD-geführten Bundesfamilienministerium weiterhin zurückgehalten wird. Dieser politische Skandal hat die Medien bereits mehrfach beschäftigt.
„Die Grünen, eventuell sogar die SPD und die ihnen nahestehenden Lobbygruppen versuchen, ein zeitgemäßes, kindgerechtes Familienrecht aus ideologischen Gründen zu verhindern. Das Kindeswohl wird nicht nur zur Verhandlungsmasse degradiert, es soll darüber hinaus auch noch hinter den rein finanziellen Interessen einzelner Getrennterziehender zurückstehen“, vermutet Witt. Der Verein beobachtet seit vielen Jahren, dass die gemeinsame Elternschaft auf Augenhöhe, von der auch die Kinder profitieren, von Interessengruppen und Parteien systematisch behindert wird. Vordergründig spricht man sich für Gleichberechtigung aus, aber letztlich geht es um den Machterhalt der Mütter über die Kinder, ganz wie im Familienbild von vor 100 Jahren.
Der Väteraufbruch für Kinder e.V. empfiehlt den Ampel-Verhandlern einen Blick unter anderem in die UN-Kinderrechtskonvention. Dort wird gefordert, dass der Grundsatz, dass Kinder von beiden Eltern erzogen werden, bestmöglich zu verwirklichen ist. Dies wäre das Wechselmodel als Leitbild und bei Kinderrechten soll ja in der Ampel bereits breite Einigkeit bestehen. Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates entschied bereits 2015 in ihrer Resolution 2079(2015) einstimmig, dass das Wechselmodell als Leitbild im Familienrecht aller 47 Mitgliedsstaaten zugrunde gelegt werden sollte. Weshalb sollten deutsche Kinder in Europa Kinder zweiter Klasse sein?
Welche Auswirkungen das Wechselmodell als Leitbild haben kann, kann man an den Erfahrungen der Länder ablesen, welche dies schon lange praktizieren: Es gibt weniger Streit zwischen den Eltern, weniger Altersarmut und eine höhere Beschäftigungsquote von Müttern, eine höhere Lebenszufriedenheit und gesündere und besser entwickelte Kinder. Im Gleichstellungsindex liegen diese Länder weit vor Deutschland.
Für Witt ist die ideologische, unbegründete Ablehnung des Wechselmodells vor allem eins: widersinnig. „Die Leidtragenden sind vor allem Alleinerziehende und Kinder. Die Ampel-Parteien müssen sich entscheiden, ob sie tatsächlich eine Zukunfts-Koalition schmieden oder Deutschland weitere 4 Jahre familienrechtlicher Steinzeit bescheren wollen“.
Mit völliger Untätigkeit in dem Bereich hat zumindest die SPD, welche die letzten 8 Jahren die relevanten Ministerien Familie und Justiz innehatte, Erfahrung. Erst im letzten Herbst erklärte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, dass für die notwendigen Reformen des Familienrechts die letzten 7 Jahre nicht genügend Zeit gewesen wäre. So soll es offenbar weitergehen. Ernsthafte Veränderungen hin zu einem zeitgemäßen Familienrecht, welches auch das Wechselmodell als Leitbild beinhaltet, strebt in der Ampel allerdings ausschließlich die FDP an, welche erkannt hat, dass die Bevölkerung deutlich weiter ist, als es das Recht bisher abbildet. Es bleibt zu hoffen, dass die FDP standhaft bleibt und SPD und Grüne ihre steinzeitliche Blockadehaltung aufgeben.