„Wer einmal mit dem deutschen Familienrecht in Kontakt gekommen ist, weiß: in dem Bereich leben wir in einem Entwicklungsland“, erklärt Marco Michelmann, Mitglied im Bundesvorstand des Vereins Väteraufbruch für Kinder e.V. und greift mit dieser Aussage auf die Erfahrungen zehntausender Mitglieder und beratener Eltern im Verein zurück.
Abstammungsrecht, Unterhaltsrecht, Sorge- und Umgangsrecht – diese und viele weitere Rechtsbereiche orientieren sich noch immer an gesellschaftlichen Umständen des letzten (oder vorletzten) Jahrhunderts (z.B. einer betreut, einer zahlt), nicht aber an den Bedürfnissen von Kindern und deren Eltern im Jahr 2020. Erste Thesen zur Neuregelung des Umgangs- und Sorgerechts , welche von einer Expertengruppe im Auftrag des Bundesjustizministeriums im Herbst 2019 veröffentlicht wurden, zeigten kaum Verbesserungen auf – der Verein hat daher aktuelle, zeitgemäße Vorschläge zur Neuregelung des Familienrechts unterbreitet.
„Wir wollen, dass die Wahrnehmung gemeinsamer Elternschaft gestärkt und dabei ein fairer Lastenausgleich zwischen den Eltern geschaffen wird. Kinder sollen nicht jahrelang durch hocheskalative, sehr belastende Gerichtsverfahren gezerrt werden, an deren Ende es häufig nur Verlierer gibt“, erklärt Michelmann die Grundzüge der Vorschläge. Dabei sollen Eltern stärker als bisher in die Verantwortung genommen werden, gemeinsame Lösungen zum Wohle Ihrer Kinder zu finden. Unterstützt werden sollen sie dabei durch Beratung, Mediation – auch als verpflichtende Auflage. Hierfür müssen aber beispielsweise Familienrichter hinreichend qualifiziert werden – bisher erhalten diese keinerlei familienrechtliche Ausbildung, entscheiden aber über das Schicksal von Familien. Ein unfassbarer Zustand, der auch von vielen Familienrichtern selbst bemängelt wird. Ähnlich sieht es bei Jugendämtern aus, die häufig überlastet sind und über zu wenig Personal verfügen, um eine angemessene Unterstützung für Eltern und Kinder leisten zu können.
Hinzu kommt, dass viele weitere Regelungen Eltern in Rollenmodelle zwängen, die sie selbst nicht wollen – Stichwort Ehegattensplitting, dessen Abschaffung selbst von Experten des Finanzministeriums gefordert, von der Politik aber abgelehnt wird.
„Die Politik hat ihren familienrechtlichen Gestaltungsauftrag in den letzten Jahrzehnten sträflich vernachlässigt und ignoriert. Es darf nicht immer nur von Kindeswohl und Kinderrechten gesprochen werden – die Politik muss endlich handeln. Wir legen konkrete Vorschläge auf den Tisch, wie die Situation für Kinder und deren getrennte Eltern nachhaltig verbessert werden kann“, fordert Michelmann, nachdem sich die Reformüberlegungen bereits über mehrere Legislaturperioden ergebnislos hingezogen haben.
Im Frühjahr 2019 verkündete Familienministerin Giffey, dass demnächst Vorschläge zur Reform des Sorge- und Umgangsrecht sowie des Unterhaltsrechts vorliegen sollten. Dann hieß es Frühjahr 2020 – am 20.06.2020 ist Sommeranfang, ohne das bisher Vorschläge der Ministerien vorgelegt wurden. Getrennte Eltern und deren Kinder werden also weiterhin abwarten müssen, ob die Bundesregierung ihrer Aufgabe zur Neugestaltung des Familienrechtes endlich gerecht wird. Abwarten heißt leider: weiterhin hinnehmen zu müssen, dass nicht zeitgemäße familiengerichtliche Entscheidungen Leben von Kindern und Eltern nach Trennung zerstören.