Der Deutsche Juristinnenbund (djb) ... begrüßt das Ziel, alle ehelichen und nichtehelichen Kinder im gesetzlichen Erbrecht gleichzustellen.
Die im Entwurf vorgeschlagene und infolge der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ergangenen Entscheidung vom 28. Mai 2009 (Nr. 3545/04; FamRZ 2009, 1293 f.; ZEV 2009, 510 f.) obligatorische Gesetzesänderung führt nach Ansicht des djb nicht zu der gewünschten Gleichstellung aller ehelichen und nichtehelichen Kinder nach dem Stichtag, sondern lediglich zu einer Besserstellung. Diese wirkt sich zwar grundsätzlich zugunsten der überlebenden Ehefrauen aus, führt im Ergebnis aber nicht zu einer vollständigen Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder.
Folgende Aspekte des Entwurfs sind daher nach Auffassung des djb mit Blick auf dessen erbrechtliche Zielsetzung erörterungs- und verbesserungsbedürftig:
Durch die Aufhebung des Stichtags 1. Juli 1949 und die Ersetzung des § 10 Abs. 2 NEhelG soll die Gleichstellung nichtehelicher Kinder im gesetzlichen Erbrecht mittels Begründung deren Nacherbenstellung erreicht werden. Nichteheliche Kinder werden Nacherben überlebender Ehefrauen/Lebenspartner. Eheliche Kinder aber sind neben der Ehefrau/dem Lebenspartner Miterben nach §§ 1924 Abs. 1 i.V.m. 1931 Abs. 1 S. 1 BGB. Hierin liegt sicherlich im Hinblick auf das bisher gänzlich fehlende Erbrecht eine Besserstellung, nicht jedoch eine unterschiedslose Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder. Zudem soll die Regelung der Nacherbschaft als eine sogenannte Härtefallregelung eingeführt werden und suggeriert damit durchaus, dass sie in lediglich wenigen Fällen zur Anwendung gelangen wird. Tatsächlich aber wird die Nacherbschaft in allen Fällen, in denen den nichtehelichen Vater Ehefrauen/Lebenspartner überleben, von Bedeutung sein.
Nur in den Fällen, in welchen der Vater nicht von der Ehefrau/dem Lebenspartner überlebt wird, findet tatsächlich eine Gleichstellung statt. Damit hinge die obligatorische Gleichstellung vom zufälligen Überleben der Ehefrau (des Partners) des Vaters ab, statt durch die Gesetzesänderung generell die erbrechtliche Gleichstellung zu schaffen.
Zur Begründung der eingeschränkten Erbenstellung wird der Vertrauensschutz des Vaters herangezogen, obwohl sich der Gesetzgeber an anderer Stelle ausdrücklich dafür ausspricht, dass bei Erbfällen nach dem 29. Mai 2009 (auch) die Familien des Erblassers mit einer Änderung der Rechtslage und Nichtanwendung der bisherigen Regelung im Art. 12 § 10 Abs. 2 S. 1 NEhelG durch die Gerichte rechnen müssen. Damit aber einerseits den Vertrauensschutz als vernachlässigungswürdig zu beschreiben, andererseits diesen sodann durch die lediglich eingeschränkte Erbenstellung des nichtehelichen Kindes de facto wieder einzuführen, ist widersprüchlich.
Das BVerfG hat sich u.a. in seiner Entscheidung vom 20. November 2003 (1 BvR 2257/03; ZEV 2004, 114) des Vertrauensschutzes der Familie des Erblassers bedient und stützte darauf die geboten erschienene Fortgeltung der bisherigen Rechtslage. Hieran kann jedoch nach der Entscheidung des EGMR nicht mehr angeknüpft werden. Heute gilt es, weitere Verstöße Deutschlands gegen die europäische Konvention für Menschenrechte zu unterbinden und die erbrechtliche Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder zu erreichen. Die Nacherbenstellung nichtehelicher Kinder erscheint hier wenig zielführend.
Ganz und gar eine Schlechterstellung bedeutet der Gesetzesentwurf für nichteheliche, vor dem 1. Juli 1949 geborene Kinder, deren erbrechtliche Verhältnisse sich zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nach dem damaligen Recht der DDR richteten. Diese Kinder sind bisher ohne Einschränkung ehelichen gleichgestellt. Nach der im Entwurf vorgeschlagenen Änderung des Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB geben sie ihre (Mit-)Erbenstellung auf und sollen eingeschränkt als Nacherben bedacht werden. Dieser Rückschritt muss als verfassungswidrig gewertet werden und kann keinesfalls die Folge eines Gesetzes sein, das genau das Gegenteil zum Ziel hat.
Im Falle des vorverstorbenen nichtehelichen Kindes treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle. Die in § 1924 Abs. 3 BGB geregelte Erbfolge nach Stämmen erfasst damit auch den nichtehelichen Stamm des Vaters. Im Zusammenhang mit der Neuregelung des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG wird diese Gleichstellung zwar hervorgehoben; fraglich ist dennoch, ob der nichteheliche Stamm nicht auch in Bezug auf die Neuregelung des Art. 12 § 3 NEhelG Berücksichtigung finden sollte und auch in den Fällen, in welchen alle unmittelbar Beteiligten (Vater, Mutter, Kind) bereits verstorben sind, der Abkömmling des nichtehelichen Kindes an den Erben herantreten können soll.
Der nunmehrige Referentenentwurf stellt grundsätzlich eine zu begrüßende Besserstellung der vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder dar, jedoch keine Gleichstellung ab Stichtag, so dass auch zukünftig weitere Konventionsverletzungen drohen.