Väter für Hebammen

Ihre Existenz steht auf dem Spiel. Und nicht nur das: Die freie Wahl des Geburtsortes ist in Gefahr! Das geht alle Eltern an! Deshalb protestieren nicht nur Mütter, sondern auch Väter.

Hebammen – wichtig für Kind, Mutter und Vater
„Die erste Frau, die mich in den Arm genommen hat, war eine Hebamme“, steht auf einem Plakat. Kai reckt es in die Höhe, auf seinem Arm schläft sein Sohn Marvin, den Schnuller im Mund. Warum er bei der Demonstration dabei ist? „Wir wollen in den nächsten Jahren ein zweites Kind. Und wir wollen uns die Hebamme selbst aussuchen und nicht in einem Klinikum entbinden müssen, in dem medizinische Eingriffe Vorrang haben.“

Gerade hat er das Bild seiner Tochter an die längste Nabelschnur der Welt gehängt. Barbara Hirt, Initiatorin der Aktion, will zeigen, wie wichtig Eltern die freie Wahl der Hebamme ist. Immer mehr Hebammen gäben ihre Arbeit in der Geburtshilfe auf, so ihre Erfahrung: „Die Nachfrage nach Hebammen-Betreuung vor und nach der Geburt ist groß, eine Hebamme zu finden dagegen sehr schwierig.“ Inzwischen zieren über 600 Bilder von Kindern die Riesenschnur. Sie soll dem Bundesgesundheitsminister übergeben werden.

Existenzbedrohende Versicherungsprämien
Aber worum geht es beim Protest der Hebammen eigentlich? Als existenzbedrohend sieht der Verein „Hebammen für Deutschland“ die stetig steigende Höhe der Haftpflichtversicherungsprämien an. Selbstverständlich muss jede Hebamme, wie andere Freiberufler auch, eine Versicherung abschließen, die im Schadensfall für Regressansprüche aufkommt. Lagen die Prämien 1981 noch bei gut 30 Euro stiegen sie danach stetig an: 2003 lagen sie bereits bei ca. 1350 Euro, 2010 bei über 3600 Euro, seit 2013 bei ca. 4500 Euro. Zum Juli 2015 hat die Nürnberger Versicherung, die letzte, die einen Gruppenvertrag für Hebammen angeboten hat, diesen gekündigt. Weitere Prämiensteigerungen sind zu erwarten.

Dabei steigen die Schadensfälle keineswegs, sie sind in den letzten Jahren sogar leicht zurückgegangen. Doch die Summe des einzelnen Schadensfalls ist deutlich gestiegen auf durchschnittlich 2,6 Millionen Euro.

Der Verdienst der freiberuflichen Hebammen ist dabei vergleichsweise bescheiden: Unter 30000 Euro Umsatz schaffen sie durchschnittlich pro Jahr. Das bedeutet einen Nettolohn von unter acht Euro pro Stunde. Versicherungsprämien, die ein Sechstel des Jahresumsatzes ausmachen, sind damit nicht zu bedienen. Für eine Geburt bekommt eine Hebamme ca. 280 Euro, egal, wie lange sie dafür auf den Beinen sein muss. Die ständige Rufbereitschaft wird nicht vergütet.

Vor- und Nachsorge gefährdet
Deshalb haben seit 2010 mehr als 15 Prozent der Hebammen die Geburtshilfe aufgegeben. Sie bieten nur noch Kurse zur Geburtsvorbereitung oder Rückbildungsgymnastik nach der Schwangerschaft an. In Kliniken und Geburtshäusern kann dieser Ausfall der Beleghebammen durch festangestellte Kräfte kaum aufgefangen werden.

Für Schwangere und werdende Väter bedeutet dies: Sie können sich nicht mehr eine Hebamme vor Ort aussuchen, sie sind auf die Kräfte angewiesen, die im Schichtdienst in der Klinik arbeiten. Und das können bei entsprechender Geburtsdauer auch drei verschiedene Personen sein. Vor- und Nachsorge müssen ebenfalls anders geregelt werden.

Grund genug für Kai, mit seinem Sohn Marvin beim Protest dabei zu sein. „Ich habe mich durch unsere Hebamme gut betreut gefühlt. Sie hat mich nicht nur als Anhängsel der Schwangeren betrachtet, sondern mir für meine neue Rolle als Vater Mut gemacht und auch mich unterstützt. Das hat mir sehr geholfen.“ Offenbar sehen auch andere Väter das so, immerhin etwa 20 Prozent der Demonstrationsteilnehmer sind Männer. Das zeigt: Männer sind sich zunehmend ihrer Bedeutung während der Schwangerschaft und der Geburt bewusst. Und die ist eben Sache des Paares, nicht nur der Frau allein.

Ralf Ruhl


Infos zu Aktionen:
http://www.hebammenunterstuetzung.de/aktionen

Mitmachen bei der längsten Nabelschnur Deutschlands:
http://www.kidsgo.de/hebammenprotest/finanzielle-situation-der-hebammen-verschaerft-sich.php

Petition für Hebammen zeichnen:
http://www.change.org/de/Petitionen/lieber-herr-gr %C3%B6he-retten-sie-unsere-hebammen