Die Studienergebnisse der im Jahr 2015 beauftragten PETRA-Forschungsgruppe sind immer noch nicht seitens des Bundesfamilienministeriums veröffentlicht. Sie lagen aber bereits 2019 vor, das Ministerium hielt die Ergebnisse dagegen unter Verschluss mit der Begründung, es würden bislang nur „Entwurfsteile der Studie in Rohfassung“ vorliegen. (BT-Drucksache Nr. 20/5426, Anfrage CDU-Abgeordneter Volker Mayer-Lay).
„Dies ist falsch, wie sich mittlerweile herausgestellt hat“, sagt Elmar Riedel, Mitglied des Bundesvorstandes.
Das Bundesfamilienministerium musste nämlich aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin (AZ VG 2 K 281.19) vom August 2021 Akteneinsicht gewähren. Dagegen sträubte sich das Ministerium und ging in Berufung. Aber auch das Oberverwaltungsgericht Berlin urteilte im Juni 2023 nicht anders (AZ OVG 12 N 2017/21). Das Bundesfamilienministerium musste also erst gerichtlich gezwungen werden, Einsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu gewähren. Die Unterlagen wurden im Juli 2023 vom Ministerium freigegeben. „Die nun in die Öffentlichkeit gelangten Ergebnisse der Studie der Bremer Forschungsgruppe aus 2019 (https://kindeswohlundumgangsrecht.de/downloads/) belegen eindeutig, dass die Aussagen des Ministeriums gelogen sind“, so Riedel. „Das ist in unseren Augen ein Skandal, denn man hat die Öffentlichkeit, die Presse und das Parlament angelogen.“
Politische Einflussnahme auf die Studienergebnisse? Wissenschaftlicher Beirat ein Feigenblatt?
Die Studienergebnisse scheinen auch nicht politisch genehm gewesen zu sein. Nicht anders lässt sich erklären, warum nach dem Tod eines der an der Studie beteiligten Wissenschaftlers, Prof. Dr. Franz Petermann im August 2019 zur „Finalisierung der Studie“ im Jahr 2020 plötzlich die Direktorin des Deutschen Jugendinstitutes, Prof. Dr. Sabine Walper hinzugezogen worden ist. Aufgrund des Wunsches des Bundesfamilienministeriums?
Denn Studienleiter Dr. Stefan Rücker sagte, er habe eine „neutrale, unabhängige und nach strengen wissenschaftlichen Gütekriterien durchgeführte Arbeit vorgelegt.“ Wie sich nunmehr durch die gerichtlich erzwungene Offenlegung der Studie bestätigt hat. Warum also plötzlich die Mitarbeit vom Deutschen Jugendinstitut? Gab es doch bisher auch einen wissenschaftlichen Beirat, der wohl mehr als Feigenblatt diente.
So fragte sich Dr. Marc Serafin, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates zur Studie in einem Interview im Februar 2021: „Für mich stellen sich da Fragen. Sind die Ergebnisse manchen im Ministerium vielleicht nicht genehm, weil sich daraus Schlussfolgerungen für notwendige Reformen im Familienrecht ergeben würden? Möchte das Ministerium der Öffentlichkeit hier etwas vorenthalten? Oder gar Ergebnisse umdeuten?“
„Die NACH der im Jahr 2019 erfolgten Fertigstellung der Studie einbezogene Direktorin des Deutschen Jugendinstitutes ist auch ein Affront gegen die Arbeit der bis dato beteiligten Wissenschaftler“, betont Riedel. „Die Studienergebnisse lagen im November 2019 nämlich bereits komplett vor. Wir bezeichnen das als massiven, politisch-gesteuerten Eingriff in unabhängiges wissenschaftliches Arbeiten!“
Ergebnisse geglättet?
Und in der Tat ergeben sich im Vergleich der ursprünglichen 2019er Fassung zur Version von 2023 unter Federführung von Prof. Walper teilweise erhebliche Unterschiede.
Beispielsweise wird in der 2023er Version bei der Darstellung der Übernachtungen bei den Elternteilen nicht mehr nach Mutter oder Vater unterschieden. 2019 gab es diese Gegenüberstellung noch. Dabei ergab sich, dass Kinder, die beim Vater leben, deutlich häufigeren Kontakt zur Mutter haben als umgekehrt, was zur Zufriedenheit der Kinder mit der Trennungssituation beiträgt. Eine entsprechende Darstellung ist in der 2023er Version entfallen. „Warum werden Väter in Deutschland immer noch als Elternteil 2. Klasse dargestellt? Warum fehlt jetzt dieses positive Resultat für Väter?“, fragt sich Riedel.
Und auch ein zweites Beispiel sei aufgeführt: Die Bedeutung der Großeltern für die Kinder wird im Kontext von Trennungssituationen von den Wissenschaftlern in der 2019er Version noch betont. 2023 findet sich dazu keine Aussage mehr dazu.
„Wir fordern eine transparente parlamentarische Untersuchung dieser Vorgänge. Mütter, Väter und Großeltern haben acht Jahre lang auf die Ergebnisse der Studie gewartet und haben sich eine Änderung des Familienrechts erhofft. Sie haben ein Recht darauf!“, so Riedel abschließend.