Einstweilige Stellungnahme zum Regierungsentwurf vom 29.10.2025: Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung [BR-Drs. 642/25, 07.11.2025]

Fehlende Beschleunigung und keine pränatale Anerkennungssperre

Wir begrüßen eine überfällige Neuregelung. Kinder dürfen nicht länger um ihre Väter beraubt werden, nur weil Dritte als vermeintliche Väter angegeben werden oder die Mutter (noch) mit einem Anderen verheiratet ist. Da Zeit Fakten schafft, müssten Falschangaben vor Geburt verhindert werden. Ist dies noch nicht möglich, sind Vaterschaftsverfahren maximal zu beschleunigen: Bevor dem betroffenen Kind der Falsche aufgedrängt und der Richtige vorenthalten wird. Der „Wettlauf um die Vaterschaft“ wird nur vermieden, wenn die Anerkennungssperre auch vorgeburtlich auslösen kann.

Kinder können sich ihre Herkunft und ihre Eltern nicht aussuchen. Deshalb dürfen wir sie nicht (rechts-)schutzlos den Männern ausliefern, die ihre Mütter als vermeintliche Väter bestimmen.

Weil die reguläre Zulassung vorgeburtlicher Vaterschaftstests aussteht, bleibt derzeit nur eine maximal beschleunigte Vaterschaftsanfechtung i.S.d. Entwurfs, um betroffene Kinder richtig zuordnen zu können.

Andernfalls arbeitet die Zeit gegen die betroffenen Kinder und ihre Väter. Jedenfalls darf das Schicksal der Kinder nicht davon abhängen, wen die Mutter aktuell liebt oder eben nicht (mehr) liebt.

Ist das Kind, sprichwörtlich, bereits in den Brunnen gefallen, weil ihm ein Falscher zum Vater ‚verkauft‘ wurde und eine sogenannte sozial-familiäre Beziehung entstanden ist, so muss die Lebenslüge aufgelöst werden dürfen. Dies spätestens dann, wenn die Mutter den Falschen (wieder) nicht mehr liebt oder das Kind reif für die Wahrheit ist.

Wir haben vier eilbedürftige Verbesserungsvorschläge:

1. Maximale Beschleunigung von Vaterschaftsverfahren

Bindung verhält sich immer reziprok. Sie entwickelt sich schon vorgeburtlich und spätestens im ersten Lebensjahr des Kindes.

Deshalb sind eine Vaterschaftsfreistellung und die Elternzeit für Väter so wichtig. Einem Mann, der tatsächlich Vater ist, aber nicht sein darf, werden diese verwehrt und die Bindung erschwert – bis er vielleicht, und viel zu oft, resigniert aufgeben muss.

Abstammungssachen, wie Verfahren über die Feststellung und Anfechtung der Vaterschaft, unterliegen noch nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot, § 155 FamFG.

Einstweilige Anordnungen in familienrechtlichen Statusverfahren, wie Abstammungssachen, sind unzulässig.

(Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 49 FamFG, Rn. 8, mwN.)

Während sich schon der § 155 FamFG als zahnloser Tiger erweist, ist der hier alternative § 198 GVG völlig wirkungslos. Verzögerungsrügen und -klagen bleiben i.d.R. folgenlos.

(Vgl. Greger, 10 Jahre Schutz vor überlangen Gerichtsverfahren: Kein Grund zum Feiern, AnwBl 2022, 96; Bert, BGH: Überlange Gerichtsverfahren bleiben folgenlos, AnwBl 2023, 24. März 2023; Würdinger/Maus, NJW 2023, 1586)

Jedenfalls holen sie die verlorene Zeit und die vereitelte Bindung nicht wieder auf.

Deutschland fehlt ein wirksamer Rechtsbehelf, um überlastete und untätige Familiengerichte arbeitsfähig zu machen.

Wir fordern die Einführung eines wirksamen Rechtsbehelfs, der alle Verfahren, die Kinder betreffen, maximal beschleunigt.

Zumindest müsste das hier entworfene Gesetz dahingehend verbessert werden, indem der § 155 FamFG auf alle Vaterschaftsverfahren erweitert wird.

Dies hatten wir bereits in unserer Stellungnahme vom 13.08.2025 zum Referentenentwurf verlangt.

Doch statt das strukturelle Problem zu lösen, wurde offenbar die

Antragsfrist von sechs Monaten durch eine Entscheidungsfrist von einem Jahr

ersetzt.

Für eine solche Entscheidungsfrist gibt es aber keinen wirksamen Rechtsbehelf.

Zumal die Familiengerichte Abstammungssachen nur mit geringer Priorität bearbeiten können. Dies wurde in der Verbändebesprechung mit dem BMJV am 29.09.2025 auch von Vertretern der Richterschaft bestätigt.

2. Unbegrenzte Chancen für pflichtbewusste Väter

Falschangaben, Feststellungsschwierigkeiten und Streitigkeiten über die Vaterschaft entstehen erfahrungsgemäß in instabilen Beziehungskonstellationen.

On-Off-Beziehungen und wechselnde Liebespartner dürfen jedoch nicht zu Lasten der Kinder gehen. Insbesondere in solchen Fällen ist es die zuvörderst obliegende Pflicht des leiblichen Vaters, dem betroffenen Kind eine unumstößliche Konstante zu sein.

Bemüht sich ein engagierter Vater pflichtgemäß und wiederholt um seine Vaterschaft, während die Mutter dem Kind einen instabilen Dritten oder wechselnde Ersatzväter vorsetzt, so darf er dafür keinesfalls bestraft werden. Vielmehr wäre er zu unterstützen.

Daher war die „zweite Chance“ (RefE, 04.07.2025, S. 16-17) richtig und auch geboten. Diese muss auch unbegrenzt beibehalten werden.

Der Regierungsentwurf schränkt sie leider ein, statt pflichtbewusste Väter zu stärken.

3. Unkenntnis und Hinhaltetaktik berücksichtigen

Hat der Vater keine Kenntnis von der Existenz des Kindes oder wird er von der Mutter hingehalten, so ist eine Frist von sechs Monaten – oder nun allerhöchstens einem Jahr – nach Geburt des Kindes schnell verstrichen.

Zumal sich (junge) Väter grundsätzlich nicht mit der (früheren) Liebespartnerin, und dann mittlerweile Mutter des Kindes, streiten möchten. Zudem mangelt ihnen oft die sofortige Rechtskunde.

Daher wäre der § 1600 Absatz 3 Satz 2 BGB-E entsprechend zu erweitern.

4. Pränatale Anerkennungssperre

Eine vorgeburtliche Vaterschaftsanfechtung ist unstatthaft, da eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung erst ab der Geburt des Kindes wirksam wird. Ohne Vaterschaft, keine Anfechtung.

Jedoch dürfte eine Anregung auf vorgeburtliche Einleitung eines familiengerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens statthaft sein.

Die vorgeburtliche Einleitung eines familiengerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens dürfte grundsätzlich möglich sein.

„Alle genannten Vorschriften des BGB, die einem noch nicht geborenen Kind Rechte einräumen, betreffen Sachverhalte, in denen es um den Vorteil und die Wahrung von Rechtspositionen des erwarteten Kindes geht. Einen solchen Sachverhalt regelt auch der neu geschaffenen § 1712 BGB. Sowohl die Feststellung der Vaterschaft als auch die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen liegen im Interesse des Kindes. Es ist daher konsequent, ein noch nicht geborenes Kind als rechtsfähig anzusehen, soweit es um die Feststellung der Vaterschaft und der Unterhaltsansprüche geht.“ (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15. Dezember 1999 – 13 WF 122/99 –, juris, Rn. 13)

„Der Senat schließt sich der Entscheidung des OLG Schleswig vom 15.12.1999 dahingehend an, dass das noch nicht geborene Kind, gesetzlich vertreten durch den Beistand, bereits rechtsfähig, und beteiligtenfähig ist.“ (OLG München, Beschluss vom 13. April 2016 – 16 UF 242/16 –, juris, Rn. 11)

Begreift man Vaterschaftsfeststellungsverfahren als Amtsverfahren

(Korves, FamRZ 2025, 1261-1267),

so dürfte die vorgeburtliche Einleitung eines familiengerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens nicht nur auf Antrag eines Beistandes, sondern auch von Amts wegen möglich sein.

Hierzu dürfte die Anregung eines Mannes ausreichen, der behauptet der Mutter während der wahrscheinlichen Empfängniszeit (auch) beigewohnt zu haben, dem die Mutter aber ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung verweigert, oder wenn die Mutter bereits der Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes zugestimmt hat und das Jugendamt daraufhin die Beurkundung ablehnt.

Zumal der Mann keinen Anspruch nach § 52a SGB VIII, und zu diesem Zeitpunkt auch keine sonstige Antragsbefugnis, hat.

Es dürfte im Kindesinteresse liegen, frühestmöglich Klarheit über seine Abstammung und rechtliche Vaterschaft zu erlangen, damit das Pflichtrecht im Kindesinteresse (Art. 6 II 1 GG) unverzögert wirken kann. Mithin familiengerichtliches Amtsverfahren.

Folglich kann ein familiengerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren vorgeburtlich anhängig werden und die Einleitung dürfte auch von Amts wegen geboten sein.

Das familiengerichtliche Vaterschaftsfeststellungsverfahren würde bis zur Geburt des Kindes ausgesetzt werden (§ 21 FamFG), da nach § 15 I 1 GenDG i.V.m. § 17 VI GenDG eine vorgeburtliche Untersuchung zur Klärung der Abstammung während der Schwangerschaft regelmäßig untersagt ist (siehe auch RefE eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft, S. 70) und die verlässliche Bestimmung der Empfängniszeit erst nach einer Geburt möglich wird.

Die entworfene Anerkennungssperre verhindert den „Wettlauf um die Vaterschaft“ aber nicht in jedem Fall, da sie erst nach Einleitung eines familiengerichtlichen Vaterschaftsfeststellungsverfahren greifen soll.

„Eine Anerkennung, die nach Einleitung eines Verfahrens erfolgt, in dem die Vaterschaft eines anderen Mannes als des Anerkennenden für das Kind festgestellt werden soll, ist nicht wirksam, solange das Verfahren anhängig ist.“ (§ 1594 V 1 BGB-E)

Hat die (werdende) Mutter bereits der Vaterschaftsanerkennung eines Mannes zugestimmt, so wird der andere Mann erst dann ein familiengerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren anregen können oder wollen.

Auch wenn der andere Mann dies vorgeburtlich tut, so würde die erste Vaterschaftsanerkennung mit Geburt (zunächst) wirksam, da die bisher entworfene Anerkennungssperre mangels Anhängigkeit zum Zeitpunkt der ersten Vaterschaftsanerkennung ins Leere läuft.

Daher ist die Anerkennungssperre entsprechend zu erweitern.

Änderungsvorschlag zu § 1594 V 1 BGB-E:

„Eine Anerkennung nach Absatz 4 oder eine Anerkennung, die nach Einleitung eines Verfahrens, in dem die Vaterschaft eines anderen Mannes als des Anerkennenden für das Kind festgestellt werden soll, erfolgt, ist nicht wirksam, solange das Verfahren anhängig ist.“

Die bisher h.M. und Rechtsprechung

„Zwar sieht § 1713 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB die Begründung einer Beistandschaft für die Leibesfrucht vor, die Durchführung eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens scheitert aber schon daran, weil vor der Geburt des Kindes die gesetzliche Empfängniszeit i.S.d. § 1600d Abs. 2 und 3 BGB nicht bestimmt werden kann und auch die Einholung eines DNA-Abstammungsgutachtens die Geburt des Kindes voraussetzt. Dieser Auffassung ist nunmehr auch der BGH in einer Entscheidung beigetreten, wonach bei einem im Ausland extrakorporal aufbewahrten Embryo eine Vaterschaftsfeststellung vor Geburt nicht möglich ist. (BGH v. 24.8.2016 - XII ZB 351/15, FamRZ 2016, 1849 = FamRB 2016, 460, bestätigt durch BVerfG v. 11.1.2017 - 1 BvR 2322/16, FamRZ 2017, 446 = FamRB 2017, 140)“ (Dürbeck in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 171 FamFG, Rn. 7)

steht dem nicht entgegen, da es hier nur um die Anhängigkeit des Verfahrens geht und die Arbeit von Korves (FamRZ 2025, 1261-1267) noch nicht beachtet werden konnte.

Schlussbemerkungen

Wir begrüßen die Klarstellung, dass eine Vaterschaftsanfechtung ex tunc wirkt.

Jedes Kind hat nur eine Mutter und nur einen Vater; aber später vielleicht noch weitere Familienmitglieder, die in Einzelfällen verschiedene Rollen übernehmen wollen.

Statt komplizierter und aufwändiger (Ausnahme-)Regelungen, die ausgehebelt werden können, könnten obligatorische vorgeburtliche Vaterschaftstests eine einfache Lösung darstellen.

Wir regen an, die Debatte über die reguläre Zulassung vorgeburtlicher Vaterschaftstests wiederaufzunehmen (vgl. Drs. 19/16950), über obligatorische Vaterschaftstests nachzudenken und den Ethikrat um Beschäftigung mit diesen Fragen zu bitten.

Zumal eine nicht invasive Diagnostik längst Stand der Technik ist und kryptografische Methoden existieren, um die Abstammung datenschutzkonform abzugleichen und gleichzeitig eine Rückwärtssuche auszuschließen.

Der Bundesvorstand (eA, CK)

Ansprechpartner

Berichterstatter: Bundesvorstandsmitglied, Christoph Köpernick, koepernick@vafk.de, 0171 - 45 27 999
Bundesgeschäftsführer, Rüdiger Meyer-Spelbrink, meyer-spelbrink@vafk.de, 0162 - 83 99 123

Über den Verband

Der Väteraufbruch für Kinder e.V. (VAfK) ist der mitgliederstärkste, bundesweit vertretene Interessenverband für von Kindern getrennt lebende Eltern und Väteremanzipation. Er vertritt 4.000 Mitglieder in rund 100 lokalen Gesprächskreisen, Kontaktstellen und Kreisvereinen, darunter etwa 10 % Frauen.

Warum das wichtig ist

Die Menschen im VAfK verbindet, dass ihnen, ihren Kindern oder ihren Liebsten Schlimmes widerfahren ist oder widerfährt oder sie andere davor bewahren wollen. Sie stehen stellvertretend für die schätzungsweise 200.000 jährlich neu Betroffenen [Annahme: 3 Betroffene (1 Kind, 2 Angehörige) je Kontaktabbruch, vgl. Baumann et al., ZKJ 2022, 245].

Ziel des seit dem Jahr 1988 aktiven VAfK ist es, das Aufwachsen von Kindern in ihren Familien durch ein verstärktes Engagement ihrer Väter und durch kooperative Elternschaft, insbesondere nach Trennung und Scheidung, nachhaltig zu verbessern.

Der VAfK versteht sich als Verein für Kinderrechte, als Familien- und Elternverband und als Organisation, die eine fürsorgende und liebevolle Beziehung beider Eltern zu ihren Kindern stärkt sowie für die Gleichstellung von Müttern und Vätern eintritt.

Mitglied werden oder spenden

Der Mitgliedsbeitrag beträgt nur 60 € im Jahr. Weitere Familienmitglieder zahlen nur 30 €. Der VAfK ist als gemeinnütziger Verein anerkannt und auf Spenden angewiesen, um seine Öffentlichkeitsarbeit und Beratungsangebote vor Ort leisten zu können.

Der VAfK toleriert keine extremistischen Tendenzen – weder von links noch rechts. Er ist ein Antidiskriminierungsverband und ist im deutschen Lobbyregister eingetragen.

Mitglieder im Bundesvorstand: Christoph Köpernick, Markus Koenen, Karsten Rulofs Marcus Gnau und Peter Kolitschus.

Verteiler

  • Bundesrat, R - FSFJ - In
  • BMJV, IA2